Südafrika 1: Dies- und jenseits des Stadions

Nicht mehr ganz eine Woche, und die WM ist wieder vorbei. Eine Woche klingt lang, aber tatsächlich sind es nur noch 4 Begegnungen, die ausgetragen werden. In dieser relativen Ruhe vor dem Sturm “Endspiel” frage ich mich gerade: War da nicht noch was? Ja war was: Warum wird eigentlich in den Blogs so wenig über Land und Leute geschrieben?Tatsächlich haben die Kollegen drüben bei preis.de eine Mitarbeiterin, die in Südafrika lebt und schon eine ganze Weile aus nächster Nähe über die WM und ihr Gastgeberland schreibt. Das möchten wir euch nicht vorenthalten.

Stimmung vor dem Start der WM in Südafrika

Ob Cricket, Rugby oder Soccer, Südafrika ist von jeher ein sportverrücktes Land und befindet sich besonders jetzt, so kurz vor Beginn der Fußball-Weltmeisterschaft, im Ausnahmezustand. Überall Werbung und Gesänge, laut trötende Vuvuzelas und immer wieder die Verinnerlichung des WM-Mottos: „Feel it! It is here!” In der Tat spüren wir schon seit Wochen, wie dieses Feeling jeden einzelnen ergreift und dass der World Cup immer näher rückt.

Ein wahrer Run setzte auf die verbliebenen Eintrittskarten ein, und pure Freude stand denjenigen ins Gesicht geschrieben, die sich schließlich zu den glücklichen Besitzern einer WM-Karte zählen konnten. Ein schlicht unbeschreibliches Gefühl, das uns wiederum dazu führt, diese WM als ein Ereignis der Superlative einzustufen.

Jedoch liegen Licht und Schatten bekanntlich nah beieinander, und auch der World Cup bringt nicht nur positive Aspekte mit sich. So wollen viele die günstige Situation zu ihren Gunsten nutzen und erhöhen Preise für Unterkunft oder Lebensmittel um fast das Doppelte – wir erinnern uns an die Umstellung von der D-Mark zum Euro. Bus- und Bahnfahrer fordern durch regelmäßige Streiks Lohnerhöhungen von 16%. So standen zum Beispiel vor gut zwei Wochen sämtliche Kapstädter Züge still. Einer unserer Mitarbeiter musste an diesem Tag auf Taxen umsteigen und dadurch beinahe das 5-fache seiner normalerweise anfallenden Fahrtkosten zahlen. Die für das Land so charakteristischen Minibustaxen, deren 12 Sitzplätze schon normalerweise mindestens 20 Personen Platz bieten müssen, quollen fast über. Warteschlangen und Gedränge waren die Folge. Geunkt wird auch darüber, dass der staatliche Stromanbieter den prognostizierten Mehraufwand an Energie nicht bewältigen wird und Fernsehzuschauer plötzlich vor einem schwarzen Fernsehbildschirm sitzen. Dies wäre durchaus keine Seltenheit in dem oftmals von Stromausfällen geplagten, aber dennoch so einmaligen Südafrika.

Doch selbst wenn die Schwarzseher in einigen Punkten Recht behalten werden, selbst wenn die Organisation der südafrikanischen WM der in Deutschland vor vier Jahren nicht das Wasser zu reichen vermag: Das Projekt Wintermärchen wird nicht scheitern, zu viel Freude herrscht in den Straßen, Häusern und Wohnungen im gesamten Land. Ein wenig chaotisch mag es werden, doch hat das nicht auch Charme? Solange Fußball gespielt und gelebt wird, wird auch die WM ein grandioser Erfolg werden. Davon sind wir nach wie vor überzeugt.

Ein südafrikanisches Wintermärchen: Überall sieht man die WM

Was schon bei der WM 2006 in Deutschland Trend war, wiederholt sich auch in Südafrika: Überall fahren Autos und die berühmten Minitaxi-Busse mit Fahnen in den bunten Farben der Landesflagge durch die Straßen, entsprechende Stoffbezüge schmücken zahlreiche Fahrzeugspiegel (auf der Rückseite, versteht sich) und verdeutlichen die Verbundenheit der Besitzer zu ihrem Land und der südafrikanischen Fußball-Nationalmannschaft.

Ansonsten allerdings sollte man die Euphorie und Atmosphäre der beiden Weltmeisterschaften nicht miteinander vergleichen. Das Glück gehabt zu haben, innerhalb der vergangenen vier Jahre gleich zweimal an dem Ort zu sein, an dem eine WM in dieser Sportart stattfindet, lässt uns sowohl die in Deutschland mit einem Lächeln Revue passieren, als auch positiv an die kommenden Wochen in Südafrika denken – so sehr sich diese beiden Länder auch unterscheiden mögen.

Eine Weltmeisterschaft ist immer etwas ganz Besonderes, und vor allem diese in Südafrika, denn sie ist die erste überhaupt auf afrikanischen Boden. Damit schreibt das Land Fußballgeschichte, und ausnahmslos freut sich ein jeder auf das bevorstehende Großereignis – selbst diejenigen, die sich in ihrem Alltag ansonsten nicht sehr für Fußball interessieren. Täglich aufs Neue spüren wir die einzigartige Stimmung: Jung wie Alt, Frau wie Mann kleiden sich mit Bafana Bafana-Shirts, regionale Sponsoren wie das Kommunikationsunternehmen Telcom oder die Bierbrauerei Castle unterstützen mit besonderen Angeboten ihre Verbundenheit zu Volk und Fußball. Für umgerechnet zehn Euro sind bereits südafrikanische Trikots erhältlich, ebenso wenig mangelt es an farbenfrohen Vuvuzelas, die an jeden Ecken und Enden zu erwerben sind und deren laute Töne überall bis tief in die Nacht vernommen werden können (bzw. müssen). Fans in den Stadien tragen schon zu Freundschaftsspielen verrückte und ausgefallene Hüte und Caps in den Farben des Gastgeberlandes – oder auch eine der populären Fußballbrillen mit ihren jeweiligen Gläsern in Übergröße, die garantiert jedem ein Lächeln ins Gesicht zaubern! Es bleibt abzuwarten, welch sonderbare und individuelle Kreationen während der WM noch in Mode kommen werden.

Fest steht definitiv: Die Südafrikaner mit ihrer ausgefallenen und einzigartigen Kunst der Be- und Verkleidung tragen allesamt ihren Teil zu einer unvergesslichen WM bei, und nicht nur wir hier vor Ort werden bereits jetzt von dem kommenden südafrikanischen Wintermärchen verzaubert. Davon sind wir felsenfest überzeugt.

[Text und Fotos: Janine Lewerenz / preis.de]


 
 
 
 

Ein Kommentar zu “Südafrika 1: Dies- und jenseits des Stadions”

  1. YuccaTree Post + » Südafrika 5 – Fangesänge in luftigen Höhen - 9. Juli 2010 um 09:01

    [...] Teil 1: Dies- und jenseits des Stadions [...]

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