Amazon, die Angst vor Apple und der Phantom-App-Store

Amazon hat heute einen eigenen App-Store für den Ebook-Reader Kindle angekündigt. Externe Entwickler sollen sich bereits ab kommendem Monat an die Arbeit machen. Vorzuweisen hat der Online-Versand bislang nichts, aber die Ankündigung ist zeitlich geschickt gewählt. Wir haben einen Spion in Amazons geheime Vorstandssitzung geschickt. Hier sein Bericht.

Neulich, in der Amazon-Vorstandssitzung:

Marketing-Director: “Wir haben ein Problem! Apple bringt in der nächsten Woche einen Tablet-Rechner raus, der deutlich mehr kann als unser Kindle. Das ist eine schwere Katastrophe, das sieht nicht gut aus, das ist: das Ende.”
CEO: “Beruhigen Sie sich! Bisher haben wir noch jede Ebook-Konkurrenz mit gutem Marketing in die Flucht geschlagen. Wir müssen allerdings reagieren. Und zwar sofort!”
CTO: “Ich hab ja gesagt: Wir brauchen mehr Geld für die Kindle-Division. Nur so können wir Mitbewerber am langen Arm mit Brotkrumen abspeisen.”
CEO: “Geld ist keins da… Fakt ist aber doch, dass wir irgendwas in den Ring werfen müssen, möglichst noch bevor Apple den Tablet-Mac vorstellt. Bringt mir mal den Kindle-Divisions-Chef her!”

Es tritt ein: Smith, der Senior Head of Development Global Activities, Kindle-Division.

CEO: “Smith, wir brauchen etwas, das wir gegen Apples Tablet-Mac ins Rennen schicken können. Was habt ihr das Neues?”
Smith: “Äh, da haben wir – genau genommen – nichts. Null, niente.”
CTO: “Ich hab’s doch gesagt. Wir brauchen mehr Geld…”
CEO (scharf): “Sie wollen doch Ihren Job behalten, Smith, oder etwa nicht? Von Apple auffressen wegen eines Riesen-iPods lasse ich mich nicht. Ich schlage vor, Sie lassen sich was einfallen, und zwar bis 24 Uhr! Das gilt für Sie alle!”

Mit den Worten verlässt der CEO den Sitzungssaal und knallt demonstrativ die Tür hinter sich zu.

CTO: “Toll, und was machen wir jetzt?”
Marketing-Director: “Also wenn wir mal zusammen fassen, haben wir nichts, aber wenigstens kein Geld und auch keine Ideen. Na wunderbar!”

Schweigen.

CTO (hat plötzlich eine Idee): “Smith, worüber beschweren sich die Leute am häufigsten?”
Smith: “Was weiß ich. Wir haben auf der Website kein Tool, das Kundenbeschwerden …”
CTO: “Nein, ich meine, was bringt die Entwickler-Community für Vorschläge ein?”
Smith: “Wir haben keine Entwickler-Com…”
Marketing-Director: “Smith, jetzt stellen Sie sich nicht quer!” (mit leicht sarkastischem Unterton): “Der Kollege will Ihre Vorschläge hören. Quasi zum ersten Mal!” (lacht)
CTO (zum Marketing Director): “Mein Oberschenkel tut schon weh vor lauter Klopfen, Kamerad! Aber weiter sind wir mit unserem Problem damit noch lange nicht. Haben Sie zur Abwechslung eigentlich auch mal einen Vorschlag, oder haben Sie in Ihren fünf Jahren Yale nur mit Ihren Verbindungsbrüdern aus Eimern getrunken?”

Allgemeines Gemurmel, der Marketing-Director tobt. Smith verdreht die Augen, der CTO lacht. Plötzlich knallt die Tür. Der CEO kommt zurück und geht kräftigen Schrittes auf die Runde zu.

CEO: “Jetzt ist aber mal Schluss, Männer! Ich habe gerade mal im Internet recherchiert. Was die Leute wollen sind Apps. Wir stellen einfach einen App Store für den Kindle vor!”
Smith: “Ähm, wir haben keinen App Store. Apps auch nicht. In der Richtung wurde vom Management noch nichts in Auftrag…”
CEO: “Smith, Sie langweilen mich! Ich weiß schon, warum wir es sind, die hier sitzen und Pläne schmieden und nicht Sie. Wer hat denn etwas davon gesagt, dass wir den App Store schon haben müssen?”
CTO: “Ankündigen reicht?!?”
Marketing-Director (plötzlich Feuer und Flamme): “Ankündigen reicht! Wichtig sind Absicht und Zeitpunkt. Wenn wir eine Woche vor Apples Keynote damit rauskommen, büßt Apple 20 Prozent der Verkäufe ein und unsere bleiben stabil.”
CEO (zufrieden): “Ich stelle mir vor, wir fangen nächsten Monat damit an. Die Arbeit können wir ja mit externen Entwicklern crowdsourcen. Das kostet uns dann nichts. Die ersten Apps kommen im Sommer.”
Smith: “Aber bis zum Sommer – das schaffen wir n…”
CEO: “Smith, Sie – und wir. Denken Sie mal drüber nach!”
CEO (zum Marketing-Director): “Legen wir los. Sie informieren unseren Mittelsmann, damit er die “New York Times” mit Gerüchten aus erster Hand beliefert! Ich könnte mir denken, dass Mashable.com das gleich als Breaking-News bringen wird. Und die Aktie lassen Sie bitte um 10 Punkte steigen!”

Alle außer Smith lachen.

CTO (zufrieden): “Smith, Sie regeln das mit der Entwickler-Gemeinde!”
CEO: “Prima, an die Arbeit! Ha, ich würde so gerne Steve Jobs’ Gesicht sehen, wenn er unsere Meldung liest!”

4 Gedanken zu „Amazon, die Angst vor Apple und der Phantom-App-Store“

  1. Nicht schlecht! :) und doch gar nicht mal so unrealistisch.

    Aber mal generell: kaum sind Gerüchte im Umlauf, dass Apple ein Gerät auf den Markt bringt, dass bisher als Gattung von jedem Hersteller ein riesen Flop war, und schon zittern alle. Naja, auf jeden Fall spannend das Treiben zu beobachten!

  2. Dieser Beitrag hat mir heute wirklich den Tag gerettet! Ich habe mich auch schon des öfteren gefragt, ob manche Hersteller wirklich nur darauf warten, was Apple für Neuerungen ankündigt und dann möglichst schnell versucht ein Konkurrenzprodukt dazu auf den Markt zu bringen. Irgendwie scheint Apple es aber immer so viel geheim zu halten, dass kein anderes Produkt mit dem Original mithalten kann. Naja, ich denke wir dürfen alle sehr auf Mittwoch gespannt sein…

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