Polemikfreitag: Von Print, Twitter und geschniegelten Typen

Statt Follower- ist bei uns heute Polemikfreitag. Denn: Nein, es war keine besonders gute Woche. Die Netzsperren sind kaum beschlossen, da reden die ersten bereits davon, sie auszudehnen. Die Meinungsfreiheit soll beschnitten, die Gewaltenteilung in dieser Sache außer Kraft gesetzt werden. Und die Print-Presse verhält sich so ruhig, als ginge es dabei um den Bau einer Autobahnausfahrt.

Der Bonner Generalanzeiger, die größte Tageszeitung hier am Ort, schreibt seinen Leitartikel dazu augenscheinlich im Parteiprogramm der CDU ab. Für meinen Kollegen Marc C. Schmidt war das der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat: Er hat sein Abo nach über 30 Jahren als treuer Leser jetzt gekündigt, nicht nur wegen des Leitartikels, auch wegen groben inhaltlichen Unfugs, Artikeldopplern und massiven Rechtschreibfehlern selbst in Überschriften. Ein symbolischer Schritt, den ich ihm hoch anrechne. Schade nur, dass der Verlag diese Symbolik nicht erkennen wird: Leser gibt es ohnehin nicht mehr, es gibt nur noch Kunden. Immer noch gut 80.000.

Zu falschen Zeit am falschen Ort

Es gibt auch Nachrichten, die Mut machen: Im Iran lehnt sich ein ganzes Volk per Twitter gegen seine Unterdrücker auf. Die Welt solidarisiert sich mit ihnen. Und doch ahnt man, dass ihr Protest am Ende niedergeschlagen wird – wieder einmal, allen modernen Kommunikationsmitteln zum Trotz. So bleibt immerhin die Gewissheit, dass Twitter nun erwachsen geworden ist. Endlich einmal wird der Zwitscher-Dienst für relevante Nachrichten genutzt, sogar als Untergrundfunk der möglichen Revolution wird er gefeiert.

Und in all dies mischt sich gestern ein bis in die Sockenspitzen geschniegelter Typ namens Peter Richter ein. Scheint zum erstenmal überhaupt in Social Communitys unterwegs zu sein, blökt aber gegen Facebook und Twitter: “Die wollen doch da nur alle miteinander rummachen bei Facebook.” Sieht aus, als wäre er mit dem Kopf in den Pomade-Topf gefallen, nennt Xing aber einen Karriereplatz für “BWL-Honks”. Zählen Eigentore eigentlich auch, wenn man sie nicht bemerkt? Ob seine Videos witzig sein sollen, habe ich auch nach drei Folgen noch nicht herausgefunden. Dafür lässt sich ein leichtes Fremdschämen nicht ganz vermeiden.

Gut, dass die Woche bald vorbei ist …

7 Gedanken zu „Polemikfreitag: Von Print, Twitter und geschniegelten Typen“

  1. Puhu was ein unlustiger Ewig-Gestriger. Es gibt definitiv Menschen, die das Internet nicht braucht – Peter Richter führt sie an.

  2. Hat mir sehr gut gefallen dein aktueller Artikel. Knapp das wichtigste und trotzdem angenehm zu lesen. Bin erst heute auf freshzweinull (über ersatz.tv) gestoßen und finde es jetzt schon richtig gut. Bitte weiter so!

    Marco (vom Ganz einfach leben podcast)

  3. Danke für eure netten Worte! Man tut ja, was man kann. Umso schöner, wenn es euch hin und wieder mal gefällt. :)
    Der Polemikfreitag war ein – zugegeben etwas halbherziger – Versuch einfach einmal herauszuposaunen, wer und was einem nicht passt und warum. Hätten wir vielleicht etwas mehr Werbung für machen sollen, können wir aber gerne bei passender Gelegenheit wiederholen, wenn ihr mögt.

    Schöne Grüße und ein ebensolches Wochenende
    Jürgen Vielmeier

  4. *LOL*
    also ich glaube, mein Humor ist nicht zu eurem kompatibel, denn ich fand den Typen im Video einfach nur witzig. Allein schon wie der aussah! Und seine Kommentare zu Facebook, Xing und twitter fand ich gar nicht mal so unpassend.
    “Auf Facebook sind sie nur geil, auf Xing sind sie karrieregeil.” Und aus meiner Abneidung gegen twitter mach ich auch kein großes Geheimnis, weswegen ich bei seinem Kommentar auch darüber lachen konnte. Vermutlich auch deswegen, weil ich auf Plurk den gleichen Unsinn fabriziere? Man muss halt auch über sich selbst lachen können (hm, hatte ich nicht auch einen verstaubten Facebook-Account…?)

Kommentare sind geschlossen.