iPad: Der Flashback

Wer ohne das Wort “iPad” in seinem Reader auskommen wollte, musste die letzten Monate auf Lyrik-Blogs umsteigen oder den Reader ganz ignorieren. Auch mehr oder weniger verhaltene Kritik an Apples Wunder-Tablett konnte den Hype kaum bremsen. In Deutschland ist das Teil offenbar schon am ersten Verkaufstag wieder ausverkauft. Während das Publikum mit dem Portemonnaie abstimmt, bringen sich die ersten Medienhäuser in Stellung. Und das durchaus auch gegen Steve Jobs.

Die Blogosphäre überschlägt sich. Alle sind begeistert vom neuen Gerät. Wahr ist, dass Apple mit dem iPad ein Gerät liefert, das sich so ähnlich handhaben lässt wie ein Buch, und damit tatsächlich die Zukunft des Heimcomputers zeigen könnte. Wahr ist auch, dass das Gerät keinen Stylus und somit keine Handschrifterkennung mehr hat, aber wegen seiner virtuellen Tastatur auf dem Touchscreen nicht für längere Texteingaben taugt und rein auf den Konsum von Inhalten ausgelegt ist.

Cory Doctorow empfindet das iPad sogar als Entmündung für den Anwender. Kann man so sehen, man darf aber auch nicht vergessen, dass jede Technologie irgendwann der Hacker- und Tüftler-Sphäre entwächst. Auch wenn es sich zum Lesen weniger gut eignet als ein E-Book-Reader scheint Apple genau das zu liefern, was die Leute wollen.

Von den Verlagen hingegen wird das iPad als Heilsbringer gefeiert, über den man endlich wieder Content verkaufen kann. Das funktioniert, weil Apple die Kontrolle darüber hat, welche Apps auf dem Gerät laufen und welche nicht – und diese mit einer Bezahlschranke versieht. Steve Jobs will einfach nur das Kunststück wiederholen, das ihm mit dem iPod und dem Verkauf von Musik gelang.

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Disney spielt schonmal sowieso mit, was logisch ist, da Steve Jobs größter Einzelaktionär des Mickey-Maus-Imperiums ist. Das Magazin Wired feiert erste Erfolge und der “Spiegel” scheint eine Allianz mit Apple eingegangen zu sein und bietet seinen Content jetzt völlig frei von Flash an. Die BILD zensiert die eigenen Inhalte vorauseilend, um nicht mit zu viel nackter Haut gegen Apples Spielregeln zu verstoßen. Aber langsam formiert sich auch Widerstand von unerwarteter Seite. Nicht nur ein paar Blogger und Hacker kritisieren das Gerät, jetzt gesellen sich auch Medienhäuser hinzu.

Zum Beispiel Time Warner und NBC Universal. Sie wollen keinesfalls darauf verzichten, ihre Inhalte auch weiterhin in Flash kodiert anzubieten. Das sei zu teuer und lohne auch nicht, weil Flash derzeit das Internet noch dominiere, wie Basic Thinking meldet. Der Börsenverein des deutschen Buchhandels pocht auf die Buchpreisbindung und bei Futurezone gibt es eine Reuters-Meldung, wonach Verlegern freien Zugang zur Plattform fordern. Besonders wollen sie die Hoheit über die Inhalte nicht an Cupertino abgeben. Vollendete Tatsachen sehen anders aus.

Apple gerät in eine ähnliche Situation wie vor 10 Jahren, als sie mühsehlig einen Musik-Publisher nach dem anderen bearbeiten mussten, um Musik zu Apples Konditionen in iTunes anzubieten. Damals konnte Apple jedoch noch als Underdog agieren, während sie heute mit dem Appstore einen riesigen Kuchen verwalten, dessen Kontrolle die Medienhäuser vielleicht doch nicht so gerne an Steve Jobs abgeben möchten.

Ich halte das ganze ja für vorübergehende Scharmützel. Apple wird eine Weile Reibach machen, das eine oder andere Medienhaus wird seine Bilanz mittels übers iPad vertriebenen Content aufbessern, unterm Strich wird aber passieren, was immer passiert ist: Das freie Internet wird sich Bahn brechen. Über kurz oder lang werden die Leute auf den Trichter kommen, dass sie statt einer teuren App doch nur einen kostenlosen Bookmark in ihrem Browser benötigen, um (fast) die gleichen Inhalte konsumieren zu können, und alle stehen da, wie zuvor.

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