Wie man einen Shitstorm übersteht

Auf der re:publica hielt Sascha Lobo einen amüsanten wie frappierenden Vortrag mit dem Titel „How to survive a shitstorm“. Er muss es wissen, schließlich war er die letzten Jahre über immer wieder heftigen Trollereien ausgesetzt. Spannend war sein Vortrag, weil sich – trotz Subjektivität – woanders kaum eine vergleichbare Zusammenfassung des Themas findet.

Opfer eines Shitstorm ist jemand, der zurecht oder ungerechtfertigt im Zentrum öffentlicher Aufregung steht, und einem Stakkato von Kritik, Schimpf und Pöbeleien ausgesetzt ist. Ein echter Shitstorm enthält zwar manchmal einen Kern sachlicher Kritik, besteht aber fast nur noch aus verbalen und manchmal sogar körperlichen Attacken.

Sascha Lobo hat das am eigenen Leib erlebt: teils unsachlich wegen der provokanten Art, sich selbst zu vermarkten, teils verbunden mit der Kritik an seiner Rolle in einer Vodafone-Werbekampagne. Der Shitstorm gegen ihn umfasste begründete Kritik, Satire, Lächerlichmachen in Boulevardzeitungen, anonyme Beleidigungen in Foren, E-Mail-Bomben, Gewalt- und Morddrohungen, Telefonterror, Klingelstreiche und nächtliche Ruhestörung.

Der Grund, warum er noch keine Antidepressiva gegen irgendwelche Selbstmordgedanken nimmt, liegt wohl darin, dass er erkannt hat, dass ein solcher Shitstorm nicht mit Mobbing verwechselt werden darf. Während beim Mobbing einzelne Personen in nicht öffentlichen Gruppen isoliert, ausgegrenzt und psychisch fertig gemacht werden, passieren Shitstorms öffentlichen Personen, Politikern oder Unternehmen. Beispiele sind unter anderem der PR-Krieg zwischen Greenpeace und Nestlé oder das Umkippen der Popularität von Britney-Spears.

Einen Shitstorm erkennt man daran, dass ein unbeteiligter Dritter den Eindruck bekommt, es ginge nicht mehr um Kritik sondern um die Attacke als solche. Shitstorms werden oft als große Skandale empfunden, obwohl sie sich selten in der breiten Gesellschaft abspielen, sondern in Microöffentlichkeiten, wie Sascha Lobo es nennt. Gerade Insider überschätzen die Intensität und Wirkung eines shitstormhaften Skandals im Internet völlig.

[adrotate group="5"]

Weil Shitstorms unabhängig vom Thema und den angegriffenen Personen in der (Netz-)Öffentlichkeit passieren, sobald eine Gruppe von Trollen durch bestimmte Schlagworte angeheizt Lust zum Verbalvandalismus bekommt, muss jeder, der in einer noch so kleinen Öffentlichkeit steht, damit rechnen, selbst auch Opfer solcher Attacken zu werden.

Sascha Lobo empfiehlt vor allem Gelassenheit. Angegriffene sollten die Attacken möglichst ignorieren und aussitzen. Ein Versuch, juristisch gegen Trolle vorzugehen, kann sehr schnell als „Zensur“, Mundtotmachen und Angriff eines Starken auf einen Schwächeren begriffen werde, ruft weitere Trolle auf den Plan und kostet Sympathien. Das Netz vergisst zwar nichts, aber negative Äußerungen zur eigenen Person oder zum Unternehmen verschwinden schnell unter immer neuen Datenbergen.

Wichtig ist eine souveräne Wirkung nach außen, besonders gegenüber unbeteiligten Dritten. Genauso wichtig ist, die eventuell vorhandene berechtigte Kritik unvoreingenommen aus dem Shitstorm heraus zu filtern und sich ihr zu stellen. Das dafür nötige dicke Fell hat nicht jeder, aber es hilft vielleicht, wenn man sich der Mechanismen hinter einem Shitstorm bewusst wird. Ganz nebenbei: Gerade weil Shitstorms aus Beleidigungen und Polemik bestehen, eignen sie sich gut als Nebelkerzen, um von echter Kritik abzulenken.

Hier der Vortrag als Video:

Ein Gedanke zu „Wie man einen Shitstorm übersteht“

Kommentare sind geschlossen.