Nur ein relevanter Blogger in Deutschland? Zeit für den Gegenbeweis!

Netzpolitik-Blogger Markus Beckedahl ist der einzig relevante Blogger in Deutschland, sagt Jakob Augstein, Herausgeber des Online-Print-Magazins “Der Freitag”. So an Schmarrn, muss ich da gegenhalten! Es gibt viel mehr, nur weiß es leider keiner.

Beweisen werde ich ihm das gerne in der kommenden Woche. Unser Beitrag “25 wunderbare Blogger abseits der Mainstreams” hat erstaunlich hohe Wellen geschlagen. Im Beitrag habe ich versprochen, mir alle gut 100 Vorschläge einmal anzusehen. Das mache ich seit einigen Tagen – bei der schieren Masse dauert das halt ein bisschen länger – und in der kommenden Woche möchte ich die besten davon vorstellen.

“Es war nie leichter, auf Missstände aufmerksam zu machen”

Darunter ist auch eine überraschend große Zahl von Bloggern, die sich mit politischen Themen auseinander setzt. Das ist das, was Augstein im Interview mit dem “Standard” bemängelt:

So viele Blogger gibt es nicht, die Sachen veröffentlichen, wo dann Politik, Behörden und auch die Industrie reagieren müssen. Ich wundere mich aber, weshalb das so ist. Es war nie leichter, auf Missstände aufmerksam zu machen als heute.

Was Augstein anspricht, sind zwei verschiedene Dinge. Es stimmt, dass es nicht viele Blogger gibt, auf deren Texte Unternehmen reagieren müssen. Das ist bei Beckedahls Blog Netzpolitik natürlich anders. Es ist gut verlinkt, größeren Medien bekannt und mit Abstand die Nummer 1 der Deutschen Blogcharts. Auf der anderen Seite hat aber auch das deutlich kleinere Upload-Magazin vor kurzem eine fragwürdige Werbepraktik der Süddeutschen Zeitung aufgedeckt, wonach die Publikation die Methode beendete und sich entschuldigte.

Was fehlt, ist die Übersicht

Und manchmal bekommen Blogger eine ganz andere Art von Reaktion zu spüren: Trainer Baade, ein bis dahin kaum gelesener Blogger, wurde vom , weil er dessen neues Logo in einem Beitrag verunglimpft hatte. Jako sah sich also sehr wohl zu einer Reaktion gezwungen, obwohl den Beitrag bis dahin höchstens ein paar hundert Leute gelesen hatten.

Es war nie leichter, auf Missstände aufmerksam zu machen als heute.

Stimmt zwar, aber wie oft wird in der Blogosphäre etwas beklagt, was dann keiner liest? Es dürfte mehrere zehntausend Blogs in Deutschland geben, die täglich neue Inhalte posten. Weil niemand über all das eine Übersicht hat, werden oft auch gute Beiträge einfach nicht bekannt. Wer soll auch täglich hunderte oder gar tausende von Beiträgen lesen und dort die Rosinen heraus picken? Es mangelt sicher nicht an der Masse guter Beiträge, es mangelt nur an einer zu kleinen Aufmerksamkeit.

Augstein muss ich denn aber doch zu Gute halten, dass er mit seinem Magazin “Der Freitag” unbekannten Autoren eine Chance gibt: Wer gute Texte hat, kann sie im “Freitag” in eine Community einstellen. Taugt sie was, heben die Redakteure sie in die Print-Ausgabe und zahlen das übliche Zeilenhonorar dafür. Ein sehr löblicher Weg.

Ein kleiner Schritt für große Blogs

In Sachen Bekanntheit “kleiner” Blogs arbeite ich, wie gesagt, in diesen Tagen an einem weiteren Beitrag. Stößt das auf ähnliche Resonanz wie mein Beitrag von vergangener Woche, dürften einige Blogs durchaus ins Interesse der Öffentlichkeit rücken. Tueksta, auf dessen Blog Koreama ich vergangene Woche verlinkt habe, war so nett, mir einen Screenshot seiner Besucherzahlen zu schicken, nachdem sein Blog in der Übersicht auftauchte:

Koreama Statistik

Von der Verlinkung haben also weder er noch ich Schaden davon getragen, ganz im Gegenteil. Entkräftet das ein bisschen die Angst vor dem Verlinken, weil die Leser dann davon laufen könnten?

Hinweisen möchte ich auf Nachfrage der BetreiberInnen noch auf zwei Dinge: 1. Das Blog Mädchenmannschaft sucht derzeit die Bloggerin des Jahres 2009. Die Abstimmung (in der linken Sidebar des Blogs) läuft noch bis zum 31. Januar. 2. Robert Stögmann von Blogger-Antworten.com hat ein Interview mit mir veröffentlicht. Denke, es ist ganz nett geworden. ;) Robert war übrigens so frei, meine Aktion zu wiederholen und seinerseits auf 25 Blogs zu verlinken. Schaut doch auch dort einmal rein!

8 Gedanken zu „Nur ein relevanter Blogger in Deutschland? Zeit für den Gegenbeweis!“

  1. Was politische Sachen angeht, ist Markus Beckedahl sicher ein sehr relevanter Blogger. Doch was für einen relevant ist, entscheidet jeder selbst. Netzpolitik.org ist z.B. nicht relevant wenn ich etwas über Filme oder Computerthemen erfahren will. Relevanz liegt im Auge des Betrachters, sowie in den persönlichen Interessen und das ist auch gut so!

  2. Eine Menge Blogger machen auf Missstände aufmerksam, sowohl was Politik- und Gesellschaftsthemen angeht als auch in anderen Themenbereichen.

    Im Gegensatz zu den Medienkonzernen haben Blogger keine Rechtsabteilung im Rücken und auch nicht das finanzielle Polster, Rechtsstreitigkeiten gelassen entgegenzublicken.

    Das ist übrigens ein Aspekt, der bei der Kritik an den etablierten Medien meist vergessen wird. Ein mächtiger Medienkonzern kann sich mehr trauen als eine kleine Website.

  3. Ach, Jakob Augstein. Die Meinung hat er exklusiv. Erinnert sei nur an die Auseinandersetzung von Jens Weinreich mit Theo Zwanziger oder den Disput des bereits erwähnten Trainer Baade mit dem Sportartikelhersteller Jako. Auch Don Alphonso mit seinem Blog in der faz oder seinen beiden anderen Projekten Rebell ohne Markt und der Blogbar hat Relevanz. Oder der Blog von Jürgen Kalwa American Arena oder der Schachblog oder Stefan Niggemeier oder der Salzblog mit diesen phantastischen Fotos. Die Liste an relevanten Bloggern ist ellenlang. Die Frage ist ja: Wie relevant ist die Plattform der Zeitung freitag? Im Grunde sucht Jakob Augstein immer noch nach einer praktikablen Lösung eines einkommensstroms für seine Online Aktivitäten. Ach, und die Erhöhung der Abozahlen im Printbereich.

  4. Richtig toller Beitrag, Dankeschön. Darauf, dass Du noch viel, viel mehr gute Blogs ausgräbst. Denke darüber nach, es Dir nachzutun, denn es gibt leider zu viele Blogs, die deutlich zu wenig Aufmerksamkeit bekommen. Die Szene ist nach wie vor extrem lebendig und vielfältig.

  5. Lieber YTP,
    Danke, dass Sie sich mit meiner These befasst haben.
    Sie schreiben, es gebe mehr als nur einen relevanten Blogger in Deutschland, “nur weiß es leider keiner.”
    Ich fürchte, das ist genau, was ich meine, und da muss ich dem Kommentar von Frank widersprechen: Relevanz meint in diesem Zusammenhang Bedeutung, Gewicht, Wirkung, Einfluss. Das ist alles nichts, was man für sich allein entscheiden kann. Das entscheidet die Gruppe. Man kann natürlich eine Relevanz in unterschiedlich großen Gruppen haben. Es kann Autoren geben, die hohe Relevanz in der Gruppe der Fliegenfischer beanspruchen. Schön und gut. Aber das meinte ich nicht: Ich meinte Relevanz im gesamtgesellschaftlichen, medialen Sinne. So, wie die Süddeutsche Zeitung relevant ist. So, wie Heribert Prantl relevant ist. Oder Kai Diekmann…

    Es ist das Grundproblem der deutschen Bloggosphäre, dass sie bislang nur sehr, sehr wenige Persönlichkeiten hervorgebracht hat, die in der Öffentlichkeit eine Wirkung entfalten können (es sind mehr als einer, das stimmt schon, da war meine Äußerung übermäßig zugespitzt und polemisch :) )

    Ich beklage das ja immer wieder, um darauf aufmerksam zu machen, um eine Diskussion darüber anzuregen, wie man das ändern kann. Ich sage das doch nicht, weil ich die Blogger dissen will! Sondern weil ich Wege für den Journalismus der Zukunft suche. Und die wird es nur mit den Bloggern geben.

    Viele Grüße,
    Ihr JA

  6. Hallo Herr Augstein! Freut mich, dass Sie hier mit uns über das Thema debattieren mögen!

    Ich denke, wir haben hier in Deutschland – anders als in den USA – das Problem eines übersättigten und zu kleinen Marktes. Es gibt zu viele Journalisten, die (berechtigte) Angst um ihren Arbeitsplatz haben und deswegen den vermeintlichen Bürgerjournalisten (Bloggern) die kalte Schulter zeigen. In den USA ist das Problem viel kleiner. Zum einen weil man viermal so viele Einwohner hat, zum anderen aber auch, weil die ganze Welt über Englischkenntnisse verfügt und problemlos mitlesen kann. Das ist mit Deutsch natürlich schwieriger.

    Ich stimme Ihnen zu, dass wir das in Deutschland am ehesten über einen Schulterschluss zwischen “alten” und “neuen” Medien ändern können. Mit dem “Freitag” haben Sie als Verleger da eine größere – will nicht sagen – Verantwortung aber zumindest eine größere Macht als – beispielsweise – ich als verkappter A-Blogger ohne Lobby, Investoren oder Grosso-Kontakten.

    Deswegen mein Vorschlag: Tun Sie mehr für die Blogosphäre! Ich arbeite derzeit an einer großen Liste unterschätzter deutscher Blogs und Blogger und lade Sie dazu ein, sich die fertige Liste in der kommenden Woche einmal anzuschauen. Darin werden Sie viele interessante Autoren kennenlernen, über die es sich zu berichten lohnt – auch im “Freitag”. ;)

    Schöne Grüße zurück!
    JV

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