Jens Best fotografiert die Häuser, die bei Streetview verpixelt werden. Ein Interview

Im Streit um Google Streetview und das Verpixeln von Häusern auf Wunsch hat Jens Best Furore gemacht: Er will losziehen und privat all die Häuser fotografieren, die in Streetview verpixelt sind, und die Bilder in Picasa und Google Maps veröffentlichen. Ist er ein Rebell für den öffentlichen Raum im Netz oder jemand, der auf der Privatsphäre herumtrampelt? Ich habe ihn gefragt.

Enno Park: Hi Jens, sogar die New York Times schreibt darüber, dass du Häuser fotografierst, man hat dich sogar einen “war hero” genannt. Was für einen Krieg führst du?

Jens Best: Keinen Krieg. Die ganze Resistance-Stilisierung wurde doch ein wenig übertrieben, ich trage da einen Teil Mitschuld. Ich möchte mit der Aktion sicherstellen, dass der öffentliche Raum im Netz abgebildet werden kann. Dieses ist, wie auch zum Beispiel der Bundesdatenschutzbeauftragte Schaar feststellt, das gute Recht eines jeden Bürgers. Wir – eine lose Gruppe Fotografie-begeisterter Menschen bundesweit – werden alle auf Google Streetview verpixelten Häuserfassaden fotografieren und geo-referenziert und unverpixelt online stellen. Sprich, wir wollen die durch diese “deutsche Überreaktion” verschollenen Häuser zurück in den (digitalen) öffentlichen Raum bringen.

Es geht aktuell um die Etablierung einer neuen Technologie in der Gesellschaft. Ähnlich wie es Anfang des 20. Jahrhunderts durch das Aufkommen der Fotografie Irritationen gab im Umgang mit dem Abbilden des öffentlichen Raumes, so stehen wir auch jetzt vor einer gesellschaftlichen Auseinandersetzung, um die Regeln für die Abbildung des öffentlichen Raumes im Internet zu schaffen.

Enno Park: Es ist eine Definitionsfrage, ob die Fassade eines Hauses nun der Privatsphäre oder dem öffentlichen Raum angehört. Haben aber nicht die Eigentümer dieser Häuser ein Wort dabei mitzureden, welchen Bereich sie als privat definieren?

Jens Best: Wir haben eine sehr klare Definition durch etliche Urteile auf verschiedenen Ebenen bis hin zum Bundesgerichtshof. An diese Regelungen sollte man sich halten. Sowohl die, die fotografieren, als auch die, deren Häuser dort zu sehen sind. Im digitalen Bereich wird die Privatsphäre durch die sogenannte informationelle Selbstbestimmung geregelt – die Frage ist also, ob eine spezielle Information einer Person zugeordnet ist. Bei einem Foto einer Häuserfassade mit einer Adressangabe ist dies z.B. nicht der Fall. Was jemand in seinem Wohnzimmer macht, ist mir herzlich egal.

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Enno Park: Hast du eigentlich zu viel Zeit oder was bewegt dich dazu, einen amerikanischen Milliardendollarkonzern, der seine Hausaufgaben auch selber machen kann, als Netzaktivist zu unterstützen?

Jens Best: Der Bereich der digitalen Öffentlichkeit wird nicht durch das Gentleman-Agreement zwischen einem Konzern und einer Ministerin bestimmt. Was Google mit irgendjemandem abspricht, ist nicht automatisch Gesetzeslage oder gar die Meinung einer aufgeklärten Öffentlichkeit. Das sieht man beim Verhalten Googles zum wichtigen Thema Netzneutralität aktuell sehr deutlich. Die Politik hat ja in Teilen erkannt, dass es hier nicht um Google geht, sondern um die Möglichkeiten der digitalen Gestaltung geografischer Räume.

Es finden sich viele Information in diesem geografischen Raum. Öffentliche wie persönliche Daten können dort verknüpft werden. Es muss also gesellschaftlich überlegt werden, wie mit persönlichen Daten im öffentlichen Raum umgegangen wird. Wie teilt der Einzelne z.B. die Information seiner Wohnadresse mit der Öffentlichkeit und wie geht diese damit um. Gleiches gilt auch für eine Vielzahl öffentlicher Daten, von denen viele zwar erfasst sind, aber in den Kellern und abgeschotteten Datenbanken der Vermessungsämter und anderswo “vergammeln” – die Öffentlichkeit hat ein Recht diese Daten mit vertretbarem Aufwand durch digitale Hilfsmittel verknüpfen zu können. Das Stichwort heißt hier Open Data.

Enno Park: Wieviele Mitstreiter hast du bisher gefunden?

Jens Best: Über 400 Menschen haben sich persönlich über verschiedene Kanäle gemeldet und gesagt, in welchen Ecken Deutschlands sie die Aktion unterstützen werden, indem sie Fotos machen und hochladen. Noch mehr haben einfach so ihre Zustimmung bekundet. Ich stelle fest, dass es also eine “Öffentlichkeit” gibt, die nicht von irgendwelchen Ängsten getrieben ist, sondern verantwortungsvoll die digitalen Medien nutzen will.

Enno Park: Für deine Aktion wirst du auch angefeindet, wie gehst du damit um?

Jens Best: Es irritiert, wie sich einige anonym auftretende Menschen oder hobby-sudelnde Blogger an meiner Person abarbeiten müssen. Keine Ahnung, was in deren Köpfen vorgeht, welche Bilder die sich ausmalen, aber nach einigen Versuchen mit dieser Gruppe einen sachlichen Dialog zu führen, habe ich beschlossen, das einfach zu ignorieren.

Viel wichtiger ist es, mögliche Ängste in der Bevölkerung aufzunehmen. Ich bin jemand, der normalerweise “das Web” mit seinen Chancen an interessierte Personen vermittelt. Ich zeige auf, welche digitalen Möglichkeiten speziell für die sozialen und wirtschaftlichen Realitäten dieser Personen relevant sein könnten. Bei der Aktion “Verschollene Häuser” handelt es sich, wie gesagt, um die Sicherstellung der Abbildung des öffentlichen Raums. Da kann der ein oder andere wenig online-affine Menschen sicher erst einmal irritiert sein. Das nehme ich in Kauf.

Wenn jemand z.B. in einem Einfamilienhaus am Waldesrand wohnt und in den letzten zwei Jahren drei Einbrüche hatte, dann würde er wahrscheinlich am liebsten seine Straße ganz für den öffentlichen Verkehr sperren. Auf jeden Fall hat er Ängste, die nichts mit dem Web zu tun haben.

Unverantwortliche Menschen, wie z.B. die Wortführer des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, nutzen diese Ängste, um gegen das Web Stimmung zu machen. Keine Ahnung, warum die das machen, aber es entbehrt jeglicher Grundlage und Berechtigung. Um beim Beispiel zu bleiben: Etliche Kriminalpräventions-Experten haben ausgesagt, dass alte Fotoserien im Netz nichts beitragen, was für einen ernstzunehmenden Einbrecher interessant sein könnte. Auch sind in anderen Ländern, in denen z.B. Streetview seit einigen Jahren läuft, keine zusätzlichen Steigerungen der Einbruchszahlen bekannt.

Enno Park: Zum Streetview-Streit ging ein Zeitungsfoto von vier Rentnern samt Reihenhäuschen durchs Netz, die viel Häme abbekamen. Gesetzt du könntest diese Senioren treffen – was würdest du ihnen sagen wollen?

Jens Best: Ich würde als erstes feststellen, dass ich es von sogenannten Qualitätsjournalisten wie von der Rheinischen Post oder der Bild-Zeitung für unmöglich halte, Personen vor die Kamera zu zerren, die sich kaum mit dem Thema beschäftigt haben, um diese dann aufgrund ihres nur partiellen Wissens zu Meinungsaussagen zu bringen, die in großen Kreisen der Bevölkerung belustigt aufgenommen werden.

Dann würde ich mit ihnen über die Chancen und Risiken des Informationszeitalters sprechen. Wie wichtig es ist, dass private Daten geschützt werden und wie wichtig es gleichzeitig ist, dass eine Gesellschaft vertrauensvoller miteinander umgehen könnte, wenn das Teilen von Daten (öffentliche wie persönliche) mit einer aufgeklärten Medienkompetenz einhergehen würde. Da liegen nämlich die eigentlichen Aufgaben. Und zwar nicht nur für die Politik, sondern auch für die Bevölkerungskreise, die bereits sehr online-affin sind. Das Web allein macht niemandem zu einem besseren Menschen. Es eröffnet aber unendliche Möglichkeiten einer zu werden, wenn man es gemeinsam richtig benutzt.

19 Gedanken zu „Jens Best fotografiert die Häuser, die bei Streetview verpixelt werden. Ein Interview“

  1. Gut, dass Ihr dieses Thema aufgreift.

    Diesen Widerstands-Aspekte finde ich durchaus wichtig. Immerhin geht es ja darum, eine wichtige Freiheit zu verteidigen.

    Von Google bin ich in dieser Hinsicht auch enttäuscht, dass sie überhaupt so viele Zugeständnisse machen. Die Gesichter zu verpixeln, ist ja akzeptabel – immerhin geht es ja um die Straßen und Häuser, nicht um die Menschen. Die Häuser verschwinden zu lassen, ermutigt die Feinde der Freiheit – um es mal überspitzt auszudrücken.

    Daher mal ein anderer Gedanke: Kann man das nachträgliche Fotografieren unkenntlich gemachter Häuser nicht auch als Protest gegen Googles Einknicken betrachten?

  2. 400 gegen zig millionen – ich finde es unglaublich, dass ein angeblich vernunftbegabter mensch sich auch noch freiwillig zum lakaien der größten datenkrake der erde macht. es ist schon schlimm genug, dass der staat uns ausspioniert, unsere daten sammelt und im zweifelsfall gegen uns verwendet. dass sich aber nun noch leute finden, die das profitstreben eines privatunternhemens unterstützen wollen, zeigt die ganze, vernagelte borniertheit einer minderheit von nerds, die offenbar den sinn für den unterschied von totalitarismus und zwang einerseits und das recht auf informationelle selbstbestimmung andrerseits verloren haben.

  3. @Jolly Rogers

    Würdest du es auch doof finden, wenn es sich nicht um Google, sondern um ein Projekt wie openstreetmap handeln würde, getragen von vielen Heimatvereinen u.v.a., die neben vielen aktuellen Strassenfotos auch historische Aufnahmen hochladen und mit spannenden (nicht persönlichkeitsrechte-verletztenden) Geschichten aus Heute und Gestern versehen würden?

    Würd’ mich echt mal interessieren.

  4. @Jolly Rogers

    Ich bin einer von den von Ihnen qualifizierten 400 nur angeblich vernunftbegabten mensch die als lakaien ihre vernagelte borniertheit einer minderheit von nerds zeigen.

    Nur:
    Ihr Beitrag trifft m.E. eher auf sie zu als auf Leute, die sie nicht kennen.

  5. Ich finde diese Aktion echt Klasse. Vor allem wurde mit dem Ausdruck “deutsche Überreaktion” alles auf den Punkt gebracht. Ich hoffe, dass Jens Best und seine 400 Mann (oder natürlich Frau)-Starke Gruppe es schafft, Deutschland wachzurütteln.

    Diese Massenhysterie, die momentan auf Grund von Googles neuestem Projekt besteht, macht mich Krank. Wie man ein so Zukunftsorientiertes Projekt nur abschmettern kann… Zusätzlich scheinen die wenigsten zu wissen, dass es genügend andere Dienste gibt, die das bereits tun und zwar OHNE die Fotografierten zu benachrichtigen. Bei diesen Diensten gibt es teils Luftaufnahmen, die einen “Pseudo-Dieb” viel mehr interessieren sollten, als Aufnahmen von der Straße.

    Klasse Interview!

  6. Gut, dass Ihr dieses Thema aufgreift.

    Diesen Widerstands-Aspekte finde ich durchaus wichtig. Immerhin geht es ja darum, eine wichtige Freiheit zu verteidigen.

  7. die verpixelte Person konnte ich trotzdem erkennen, obwohl ich die seit Jahren nicht gesehen hatte.
    Das Verpixeln der Häuser, insbesondere der MIetshäuser ist zum Schreien…
    Also ich hätte ein Foto und darf es doch sicherlich auf meiner “privaten” Adresse im Netz hochladen???
    Im übrigen können doch wohl die ganzen Militärs schon lange noch tiefer gucken als google?

  8. Applaus – was für ein Held – eine Schande das niemand darüber berichtet – solche Helden müßte es viel mehr geben – warum werden solche Helden nicht zum amerikanischen Präsidenten gewählt – die Welt verbeugt sich vor Dir, Du Größter, ich knie nieder und werdetäglich die Daumen für Dich drücken – allein Heute habe ich das 8 Stunden getan !!!!!

  9. ich fotografier in meiner umgebung auch schon fleissig die verpixelten häuser, ich bin keiner dieser 400 , aber es sind eh nur 244 000 verpixelte anträge bei google eingegangen … also durchaus schaffbar…

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