Jako lenkt gewissermaßen ein, aber Reue und Einsicht klingen anders, ganz anders

Die Solidarität der Blogosphäre hat einen weiteren Sieg davon getragen: Sportartikelhersteller Jako und dessen Anwaltskanzlei wollen dem Blogger Trainer Baade nun nicht mehr das letzte Hemd ausziehen. Man gibt zu, dass man überreagiert hat und bedauert den eigenen Schaden, den man durch die Aktion erlitten hat. Eine Entschuldigung bleibt Jako aber schuldig.

Das wichtigste ist: Sie haben eingelenkt, sie haben die Kritik gehört, sie haben ihre unsäglichen finanziellen Forderungen zurückgenommen. Trotzdem, so richtig versöhnlich und einsichtig klingt das nicht, was Jako nun in einer Pressemeldung zusammengefasst hat. Filettieren wir das einfach mal mit dem journalistischen Seziermesser:

„Wir haben ganz offensichtlich überreagiert“, erklärt Rudi Sprügel, Vorstandsvorsitzender der JAKO AG, und schafft damit alle Voraussetzungen, um die vor allem im Internet geführte Auseinandersetzung um sein Unternehmen schnell zu beenden.

Der Hauch einer Entschuldigung, und damit ist alles gegessen – findet Jako. Die Verantwortlichen bei Jako seien verärgert gewesen, dass Trainer Baade das neue Logo anlässlich des 20-jährigen Firmenjubiläums mit “Worten aus der Fäkalsprache” kritisiert hatte:

[Die Jako-Verantwortlichen ] beauftragten daher eine Anwaltskanzlei mit dem Ziel, dass Baade diese verunglimpfenden Äußerungen zurücknimmt und aus dem Internet entfernt. Nach Verhandlungen unter den Anwälten war Baade dazu bereit.

Das klingt sehr sauber und glatt. Dass Baade da bereits über 1.000 Euro für die Abmahnung zahlen sollte, steht da natürlich nicht. Baade löschte den Beitrag und verpflichtete sich per Unterschrift, bei einer Zuwiderhandlung eine Vertragsstrafe zu zahlen. Ohne Baades Zutun erschien der Text aber erneut auf der Seite eines Newsaggregators. Die Jako-Presseabteilung formuliert das so:

Erst hinterher stellte sich heraus, dass der tschechische Nachrichtenaggregator „Newstin“ den inzwischen von Baade gelöschten Text kopiert hatte und weiterhin verbreitete.

Hervorhebung von mir

Das “hinterher stellte sich heraus” ist eine blumige Umschreibung für “wir haben erst hinterher verstanden, wie das mit diesen Nachrichtenaggregatoren eigentlich funktioniert.” Da hatte Trainer Baade aber schon längst eine erneute saftige Forderung von Jakos Anwälten erhalten.

Und nun kommt ein Satz, der es in sich hat:

Ohne die endgültige Klärung des Sachverhalts unter den Rechtsanwälten abzuwarten, alarmierte Baade daraufhin die Bloggerszene.

Das ist blanker Hohn. Baade hatte keine Möglichkeit, die “endgültige Klärung des Sachverhalts unter den Rechtsanwälten” abzuwarten. Er konnte sich keinen Anwalt leisten, um den Sachverhalt zu klären. Und er war bereits aufs letzte Hemd (über 5.000 Euro Strafzahlung) verklagt worden. Und “alarmierte die Bloggerszene” ist komplett falsch. Das ist nicht möglich. Baade hatte großes Glück, dass sich in Kai Pahl von Allesaussersport.de ein häufig gelesener und gut vernetzter Blogger der Sache annahm und den Sachverhalt in einem fantastischen Beitrag darlegte.

Hätte Pahl das nicht getan, wäre “die Bloggerszene” wie Jako sie nennt, wohl nie auf den Fall aufmerksam geworden, und Baade wäre aufs letzte Hemd verklagt worden.

Jako salbadert in der Presseerklärung weiter, spricht von einer “unerfreulichen Geschichte”, dass man Baade zu sich einlade, um ihm die Rechtschaffenheit des eigenen Betriebs zu zeigen, und dass man sich rein rechtlich überhaupt nichts vorzuwerfen habe.

Wo bleibt das Wort “Entschuldigung”?

Klar muss Jako als Wirtschaftsunternehmen, noch dazu als Aktiengesellschaft, versuchen, sein Gesicht zu wahren. Man bedauert die eigenen Fehler, wohl, weil der Ruf durch die ganze Sache stark gelitten hat. Aber: Kein Wort davon, dass man einen kleinen Blogger für ein paar unfeine Worte um ein paar tausend Euro erleichtern wollte, die er nicht hatte. Und nirgendwo dieses eine so wichtige Wort, das ein wenig Einsicht und Reue zeigen würde. Nirgendwo in dieser Pressemeldung kommt es vor, das Wort “Entschuldigung”.

Was am Ende also bleibt, ist ein kleiner Sportausrüster, den ich erst seit ein paar Tagen kenne und der in dieser Zeit nichts, aber auch gar nichts dafür getan hat, um ein positives Bild bei mir zu hinterlassen. Das einzige, worüber ich mich sehr freue, ist die ansonsten so oft so zerstrittene deutsche Bloggerszene: Sie hat wie eine Einheit zusammengestanden, um einem von ihnen, einem Schwächeren zu helfen. Ich glaube, es ist das erste Mal, dass ich richtig stolz darüber bin, Teil dieser “Szene” zu sein.

via Netzpolitik.org

22 Gedanken zu „Jako lenkt gewissermaßen ein, aber Reue und Einsicht klingen anders, ganz anders“

  1. Na, ich denke, da braucht demnächst einer einen Online-Beauftragten … bin aber auch froh, dass in solchen Fällen man sich eigentlich auf die Blogosphäre verlassen kann…

  2. Ganz schlimm finde ich dieses Marketinggeblubber am Anfung und zum Schluss…
    So etwas hat meiner Meinung nach darin nichts verloren.
    Was interessieren mit 0,5 Millionen verkaufte Fußbälle ?!?

    Und mit diesem Satz
    >>Ohne die endgültige Klärung des Sachverhalts unter den Rechtsanwälten abzuwarten, alarmierte Baade daraufhin die Bloggerszene.<<
    haben Sie eindruckvoll bewiesen, dass sie es immer noch nicht verstanden haben!

  3. Mann mann mann, wie kann man so schlecht beraten sein? Statt den ganzen Skandal in frischen PR-Wind umzumünzen, verstrickt sich Jako in der PM wieder in Schuldzuweisungen und Diskussionen. Eine klare Erklärung, Mund abwischen, Aufmerksamkeit nutzen und loslegen – so wird das nix.

  4. @Jens: Ich glaube, es geht um mehr als das. Es scheint mir so, als habe Jako zwar begriffen, dass ihnen diese ganze Geschichte nicht gut getan hat. Dass sie immer noch nicht ganz verstanden haben, wie das Web funktioniert, mache ich Ihnen dabei gar nicht mal zu Vorwurf. Was für mich schwerer wiegt, ist, dass sie offenbar noch immer nicht verstanden haben, dass sie einen Menschen – ob durch eine Achtlosigkeit oder gewollt – fast in den Ruin getrieben haben. Die Pressemeldung zeigt meiner Ansicht nach keinerlei Reue. Da ist ein knallhartes Wirtschaftsunternehmen nur darauf bedacht, noch größeren Schaden von sich selbst abzuwenden und den eigenen Ruf wiederherzustellen. Mehr nicht.

  5. @Jürgen: ja leider. Ich glaub auch. Rudi Sprügel ist so 1980. Viele Leute können sich auch privat schlecht entschuldigen. Aber das sind meistens die, die sich in irgendeiner Form von dem Objekt der Entschuldigung entfremdet haben.
    Ob man jetzt noch weiter Druck auf Jako ausüben sollte?
    http://www.cluetrain.de/

  6. @Hananas:

    > Ob man jetzt noch weiter Druck auf Jako ausüben sollte?

    Ich denke nicht. Wenn Jako die Forderungen gegenüber Trainer Baade zurücknehmen und der Mann ohne finanziellen Verlust davon kommt, dann ist der Streit ja beigelegt.

    Alles weitere ist Jakos eigenes Problem! Denn mit dieser Einstellung sind sie meiner Meinung nach schon genug gestraft. Jeder, der diese Pressemeldung gelesen hat, weiß nun, wie man bei Jako denkt, und kann seine Schlüsse daraus ziehen. Ich werde nun zumindest keine Jako-Produkte kaufen. Mag sein, dass es ein Fehler des eiskalten Turbokapitalismus’ ist, mag sein, dass die anderen nichts besser sind. Aber von Jako hab ich es nun wenigstens Schwarz auf Weiß.

  7. Ich finde es natürlich krass wie ein Sportartikelhersteller einen “kleinen Blogger” über diese unsäglichen Halsabschneider zu Kasse bitten will. Ich freue mich für Trainer Baade das der gröbste Stress wohl jetzt ausgestanden ist. Gleichzeitig tut mir Jako etwas leid, der typische Streisand-Effekt ;)

    Eine Entschuldigung von Jako wäre angebracht, allerdings sollte sich Trainer Baade dann auch entschuldigen. Die Aussagen in seinem Originalblogpost sind meiner Meinung nach recht derb. Hier kommt es wohl auf die Frage an wo das Recht des Einen auf freie Meinungsäußerung das Recht des Anderen auf etwas wie “geistige Unversehrtheit” berührt.

    Also beim nächsten Mal halten am Besten beide den Ball etwas flacher und unterhalten sich erstmal bevor mit der Anwaltspest geworfen wird…

    meine Meinung

  8. Herr Sprüngel will sich dafür einsetzen, dass “Herrn Baade aus der Sache keine finanziellen Nachteile erwachsen.”

    Das Klingt ja so als würde darüber an anderer Stelle entschieden werden. Warum nicht einfach “JAKO verzichtet auf sämtliche Forderungen.”

    Das muss man auf jedenfall noch weiter beobachten. Ausgestanden ist das noch lange nicht.

  9. Die PM ist ein Witz. Nicht mehr und nicht weniger. Wenn sie ihren Fehler wirklich einsehen würden, würden sie sie gesenkten Hauptes ganz doll schämen und ihm 5000€ Schmerzensgeld zahlen. Solche Sachen können die Psyche schon extrem belasten und wär eigentlich das Mindeste. Kann man nur hoffen, dass der Laden irgendwann Pleite geht und die Verantwortlichen dadurch Zeit bekommen, um über deren Fehler nachzudenken.

  10. Ihr seid sowas von gemein und einseitig!
    Ihr freut euch, das Trainer Baade keinen wirtschaftlichen Schaden mehr hat – wegen läppischen 1000€ und nochmal 5000€.
    Das ihr mit eurer Überreaktion im Web Jochens und meinen Urlaub versaut habt und ich nun nur noch kleine Brötchen backen darf – kurzum meine bisherige einwandfreie Vita beschädigt ist, findet ihr auch noch prima!
    Schämt euch!
    Auch ich muss doch bei dieser Wirtschaftslage sehen, wo ich bleibe!

  11. Unabhängig vom schwachen Inhalt ist die Pressemitteilung auch noch texlich grottenschlecht geschrieben. Solche Texte, meine lieben PR-Spezialisten von jako, habe ich als Redakteur täglich im Dutzend auf meinem Schreibtisch – und alle scheitern sie an meinem inneren “Schweinehund”. Selbiger hat nämlich keine Lust, daraus auch noch einen lesbaren Text zu machen.

  12. Netter Beitrag. Mich stört aber diese Formulierung:

    “Und er war bereits aufs letzte Hemd (über 5.000 Euro Strafzahlung) verklagt worden.”

    Das ist so nicht korrekt, denn es wurde, wie man bei http://www.allesaussersport.de nachlesen kann, erstmal durch die Anwälte von Jako eine Zahlungsaufforderung hinsichtlich der Vertragsstrafe plus weiterer Gebühren versandt. Zitat: “Als Konsequenz aus der Verletzung der Unterlassungserklärung waren nun binnen zwei Wochen 5.100,- Euro Strafe zu zahlen plus die neu entstandenen Kosten der Kanzlei Horn & Kollegen sowie eine neue Unterlassungserklärung abzugeben, diesmal mit einem Vertragsstrafenversprechen von 10.000,- Euro.”

    Um verklagt worden zu sein, hätte die Kanzlei aber eine entsprechende Zivilklage bei Gericht einreichen müssen. Der Fall befand sich aber offensichtlich noch in der Vorstufe zur Klage, nämlich der außergerichtlichen Zahlungsaufforderung. Erst bei Nichtbeachtung dieser Aufforderung folgt die nächste Stufe, die eigentliche Einreichung einer Zivilklage.

    Über die (Un-)Rechtmäßigkeit der Zahlungsaufforderung bzw. den gesamten PR-Gau der Fa. Jako sagt das natürlich alles nichts aus.

  13. Iris bist du es wirklich? … was ich bezweifel :-) In diesem Falle hättest du es erst Recht verdient, weil du gerade für deine wirtschaftlichen Interessen über Leichen gehst. Wenn dir die 1000 + 5000 als läppisch erscheinen, vermute ich dass es dir auch gar nicht mal so schlecht ergeht. Es wird Zeit mal gegen diesen Kapitalismus vorzugehen da er anscheinend nur menschliche Wracks hinterlässt oder sie zu diesen konditioniert. Trauriges dasein hier irgendwie um Sol herum.

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