Nationalhymnische Ohrwürmer
20. Juni 2010 - Enno Park
Einigkeit und Recht und Freiheit… ist doch eigentlich eine schöne Hymne, zumal Deutschland, Deutschland über alles reines Wunschdenken war, sich niemand mehr für Franz den Kaiser interessiert und Auferstanden aus Ruinen zusammen mit seinem Staat passenderweise eher temporären Charakter hat. Wenn mich jemand fragen würde, die beste Hymne wäre noch immer Deutsche Frauen, deutsche Treue, deutscher Wein und deutscher Sang…. Aber mich fragt zum Glück keiner.
Gebraucht wird diese Hymne vorrangig zum Fußballspielen, eine WM soll gewonnen werden. Sei es kein Wunschdenken, könnte man doch auch Heil Dir im Siegerkranz singen, gänzlich unbefleckt von brauner Soße. Oder farblich besonders passend:
Ich bin ein Preuße, kennt ihr meine Farben? Die Fahne schwebt mir weiß und schwarz voran! Dass für die Freiheit meine Väter starben, Das deuten, merkt es, meine Farben an. Nie werd’ ich bang verzagen, Wie jene will ich’s wagen Sei’s trüber Tag, sei’s heitrer Sonnenschein, Ich bin ein Preuße, will ein Preuße sein!
Kurzfassung vor vier Jahren: Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin!
Die anderen wollen natürlich auch nicht mehr nach Berlin sondern nach Johannesburg fahren. Interessant, was die so singen. Vor allem die Franzosen: An die Waffen, Bürger! Schließt die Reihen, Vorwärts, marschieren wir! Damit ein unreines Blut unserer Äcker Furchen tränke! Das passt irgendwie nicht nach Kreuzberg oder zum Holocaust-Mahnmal und auch nicht wirklich ans Kap der guten Hoffnung mit seiner Apartheids-Geschichte – es sei denn man versteht den Text als Allegorie auf den Fußballplatz, wo die Bleus dieses mal aber etwas deplaziert wirken. Und die Holländer brauchen ja eigentlich keine eigene Nationalmannschaft: Wilhelm von Nassau bin ich, von deutschem Blut… und verteilen sich einfach auf Deutschland und Spanien.
Dann gibt es welche, die fahren sowieso nicht nach Johannesburg, weil sie gar nicht teilnehmen. Lettland zum Beispiel: Gott, segne Lettland, Unser teures Vaterland, Segne Lettland, Ach, segne es doch! so flehen sie, aber er will nicht? Vor vier Jahren sang noch die Ukraine: Noch sind der Ukraine Ruhm und Freiheit nicht gestorben… Tja, noch. Und die Iren, wer würde sie des Militarismus verdächtigen? Sie singen: Wir singen ein Lied, ein Soldatenlied In jubelndem, stürmischem Chor Während wir uns um die brennenden Feuer scharen…
Sehr offiziell geht es in Burundi zu. Dort beginnt jede Strophe mit Sehr geehrtes Burundi…, das ist fast so hübsch wie Liebes Amt, …. Ach die Bürokratie. Davon wissen auch Chinesen ein Lied zu singen: Die drei Volksprinzipien, das Ziel unserer Partei. Damit bauen wir die Republik, damit erreichen wir den Weltfrieden… Wobei das WortWeltfrieden glaub ich in keiner anderen Hymne vorkommt. Sehr fortschrittlich. Da sind die Marseillaise und die erste Strophe des Deutschlandliedes was für die ewig Gestrigen.
Eindeutiger Rekordhalter in der Kategorie “ewige Gestrigkeit” ist aber Andorra: Karl der Große, mein Vater, befreite mich von den Sarazenen, Und vom Himmel gab er mir das Leben von Meritxel, der großen Mutter. Ich wurde als Fürstin geboren, als Jungfrau, neutral zwischen zwei Nationen. Ich bin die einzig übrig gebliebene Tochter des karolingischen Reiches. Nach dieser Logik skandiere ich die Reparation des Deutschen Reiches in den Grenzen von 1248. Neapel bleibt deutsch! ;-)
Erwähnenswert noch die Grönländische Hymne Nunarput, utoqqarsuanngoravit niaqqut ulissimavoq qiinik. was soviel heißt wie:Unser Land, du wurdest so alt, dein Kopf ist bedeckt mit weißem Haar. Sehr märchenhaft, lyrisch gar. Da könnten wir uns eine Scheibe abschneiden, zumindest Schweizer und Österreicher mit ihren verschneiten Alpen. Ich schließe mit der mongolischen Hymne, von der in der Wikipedia bisher keiner weiß, was sie genau bedeutet:
Chamag delchiin schudarga ulstai Chamtran negdsen egneeg bechdschüüldsch Chatan zorig büchii tschadlaaraa Chairt Mongol ornoo manduulja.
Nur eine kleine Anmerkung zu [quote]zumal Deutschland, Deutschland über alles reines Wunschdenken war[/quote].
War es nicht. es ist eingetreten. wir haben EINEN Gesamtstaat über allen kleinen Fürstentümern. Auch wenn der Satz nachträglich vergiftet wurde
“Sehr geehrtes Burundi…”
Sorry, aber was ist das denn für ein Quatsch? “Burundi bwacu” heißt “Unser Burundi” – nicht mehr und nicht weniger… Wo haben Sie das denn her?
Grüße – aus Burundi ;-)
@Lioman Das ist aber eine sehr freundliche Interpretation, bei “Deutschland Deutschland über alles” von “nachträglich vergiftet” zu reden, schließlich geht es weiter “über alles in der Welt” und nicht “…im Land”. ;) Die dann folgendend genannten Flüsse waren auch im 19. Jahrhundert schon ziemlich äh… großzügig ausgelegt, findest du nicht?
@Philipp Vielen Dank für den Hinweis. Der Text stammt eigentlich aus dem Jahr 2006 und ich habe ihn ein wenig umgearbeitet und hier veröffentlicht. Ich weiß nicht mehr, obs die Wikipedia war, aber Google spuckt bis heute Ergebnisse für “Sehr geehrtes Burundi” aus. Vermutlich so ne Art “Urban Legend” oder so. Obwohl ich dir natürlich glaube, dass das einfach ein Übersetzungsfehler ist, meint die Wikipedia übrigens, es heiße “geliebtes Burundi”.
Nein die waren kein bisschen Großzügig ausgelegt. Der Große Teil gehörte wirklich zum Deutschen Bund, bzw. war deutschsprachig und wurde von Fallersleben als dazugehörig betrachtet. Als Nationalhymne wurde das Lied das erste mal von Friedrich Ebert einem Sozialisten eingesetzt. Die Intention ist also als nicht Problematisch einzustufen. Die Rezeption und weitere Geschichte des Liedes (vor allen Dingen der Ersten Strophe) ist allerdings negativ besetzt und von daher ist es durchaus gerechtfertigt nur die Dritte zur Hymne zur erklären.
Schaut man sich jedoch einmal andere Hymnen in der Welt an, dann haben wir ne echte Kuschelhymne (was nicht falsch ist)
@Enno: Hi, danke für die Reaktion! Das ist merkwürdig, dass Google und Wikipedia solche Dinge verbreiten… Ist eben alles von Menschen gemacht ;-) Meine einheimischen Kollegen hier haben mir aber auch nochmals versichert: es heißt lediglich “unser Burundi”. Man lernt wirklich nie aus…
Beste Grüße aus Bujumbura!