“Uh. Facebook!” sagt er und verzieht das Gesicht, als würden wir über einen ekligen Ausschlag an den Hoden reden. “Da bin ich nicht. Die spionieren einen aus.” Ich nicke geflissentlich. “Die verkaufen deine Daten.” Ich nicke gelangweilt. “Diese ganze personalisierte Werbung, man verkauft sich ja selbst. Für ein paar digitale Schafe, die man anderen hinterher werfen kann.” Ich nicke weiter und überlege, wie ich am geschicktesten den Raum verlassen kann, ohne unhöflich zu wirken.
Personalisierte Werbung geht mir gelinde gesagt am Allerwertesten vorbei. Natürlich finde ich es erstaunlich, dass ich, seitdem ich in Berlin wohne und das bei Facebook auch angegeben habe, Werbung für Berlinkram kriege. Was genau ich mit ‘nem Berliner Hotel jetzt machen soll, ist mir dennoch schleierhaft. Ich meine, Köpenick liegt nicht gerade zentral, aber auch nicht so weit draußen, dass ich im Hotel schlafen muss, wenn ich mal abends was in Mitte mache.
Da Facebook ebenfalls weiß, dass ich weiblich bin, werden natürlich auch jede Menge Schuh- und Klamottenseiten beworben, da man offenbar das Klischee liebt, dass es das ist, was Frauen nun mal wollen im Leben. Schuhe und Klamotten. Das und Babies. Und dann Schuhe und Klamotten für das Baby. Ein ewiger Kreislauf, der sicherlich schon irgendwo im Alten Testament eingehend beschrieben wurde.
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Aktuell werden mir Strickkleider, diese White-Trash-Trailer-Park-Ugg-Dingsstiefel, “Trendiger” (har har) Schmuck, “Mein neues Herbstoutfit”, “Fashion für frostige Tage” von Tchibo, sowie ein Groupon-Rabatt für einen Poledance-Workshop, sowie die direkte Frage: “Du willst abnehmen?” angeboten.
Und ja, Facebook hat mich so eben fett genannt.
Dennoch. Mit nichts von dem kann ich wirklich etwas anfangen. Und nachdem ich sogar eine Zeitlang immer brav die unpassenden Anzeigen mit der Anmerkung “Uninteressant” weggeklickt habe, muss ich zu dem Schluss kommen, dass Facebook vielleicht unsere Daten hat, sie vielleicht auch verwendet, um gezielt Werbung zu schalten und so Knete zu machen, dies aber nicht sonderlich erfolgreich tut. Also vielleicht Knete machen, das schon, aber egal, welcher Algorithmus unsere Daten verwendet, verwurstet und am Ende als Fuzzi-Anzeige im Browser wieder ausspuckt, es scheint kein sehr funktionierender Algorithmus zu sein.
Im Gegenteil. Je öfter ich Anzeigen wegklicke und wahrheitsgemäß beantworte, warum ich dies tue, desto weniger passen die nächsten zu mir, meiner Persönlichkeit und meiner in meinem Facebook-Profil angegebenen Interessen.
Habe ich “1984″ nicht oft genug gelesen, dass mir die Verwertung meiner Daten keine Angst macht? Dass es mir furzegal, wenn Payback weiß, wie oft ich mir Shampoo und Mascara kaufe und mir für diese Informationen auch noch einen DVD-Player und eine Kaffeemaschine schenkt? Bin ich eine kleine Konsumhure?
Ganz ehrlich, ich wäre hoch erfreut, wenn Facebook es gebacken kriegt, die Dinge, die in meinem Profil stehen, so zu verwerten, dass mir Sachen angezeigt werden, die mich interessieren. Bücher, die ich lesen und kaufen möchte. Geschäfte, die ich besuchen möchte. Alles rund um Theater, Kultur und Kunst in Berlin, um Menschen, die mich inspirieren. Es gäbe soviel, was Facebook machen könnte. Wenn es nur beginnen würde, mich richtig auszuspionieren, meine Daten endlich vernünftig, pragmatisch und zielorientiert auszubeuten.
Solange es das nicht macht, sehe ich keinen Grund mich vor Facebook und Konsorten zu fürchten und werde meinem neuen Hobby nachgehen und der inneren Wonne frönen, die meinen Körper durchströmt, wenn ich nun bei allen Werbesachen, die ich wegklicke, als Grund “Sexuell explizit” oder “Anstößig” auswähle. Einfach nur, weil ich es kann.
Und bis dahin hätte ich nur eine einzige, klitzekleine Frage:
Facebook, wie genau bist du auf diesen Trichter gekommen?!
Claudia Haessy ist professionelle Prokrastineuse und misanthropische Utopistin. Die schlechteste Vegetarierin der Welt würde gerne Pfeife rauchen und bloggt unter orbis-claudiae.blogspot.com, wo sie obigen Text auch zuerst veröffentlicht hat.
Das ist ja mal ein toller Post. Ab jetzt schike ich den jedem der auch was gegen Facebook hat und mir dabei auf die Nerven geht. :D
“…Dass es mir furzegal, wenn Payback weiß, wie oft ich mir Shampoo und Mascara kaufe und mir für diese Informationen auch noch einen DVD-Player und eine Kaffeemaschine schenkt? (..) Wenn es nur beginnen würde, mich richtig auszuspionieren, meine Daten endlich vernünftig, pragmatisch und zielorientiert auszubeuten. Solange es das nicht macht, sehe ich keinen Grund mich vor Facebook und Konsorten zu fürchten…”
Vielleicht kann man die Datenprofile die Facebook etc. heute anlegen, nicht sinnvoll für den Profileigentümer (nützliche Produktempfehlungen usw.) verwenden, aber möglicherweise werden diese Daten in Zukunft (oder auch schon heute) völlig willkürlich und unkontrolliert von Anbietern von entscheidenden Dienstleistungen (Krankenversicherungen, Banken, Schufa, Assessment-Center etc.) ausgewertet. Ob dies dann dem PAYBACK-Mitglied auch noch “…furzegal…” ist?
Die Argumentation scheint mir insgesamt wenig durchdacht und kindlich naiv…
Schön, dass es noch andere mit dem gleichen Hobby gibt. Vielleicht sollten wir einen Verein Gründen: Sexuell explizit -Klicken e.V.
Also ein bisschen ignorant bist du schon, oder?
Facebook ist Müll
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