Google+: schöner aber derzeit überflüssiger Facebook-Klon

Gestern habe ich mich noch darüber beklagt, dass alle über Google+ schreiben, ohne allzu viel darüber zu wissen und heute kursieren dann doch massenhaft Invites, so dass ich mir den Dienst selber mal ansehen konnte. Ob es ein Facebook-Killer wird ist schwer zu sagen – auf jeden Fall ist es ein Facebook-Klon.

Heute Mittag setzte ein kleiner Run auf die geschlossene Beta von Google+ ein, als Invites endlich die Runde machten. Sascha Lobo gibt auch dort wieder den Platzhirsch und weihte die neue Plattform mit einem Aufruf zum längsten Kettenpost der Welt ein, der nach kurzer Zeit über 100 Kommentare hatte. Die Frage ist, ob es nur die üblichen verdächtigen sind, die sich jetzt auf Google+ stürzen, oder ob der Dienst in der Breite reüssieren kann.

Falls ja, könnte Google+ tatsächlich zum “Facebook”-Killer werden. Die beiden Dienste sind sich einfach zu ähnlich, als dass sie sinnvoll koexistieren könnten wie Twitter neben Facebook neben Xing. Wer sein Profil auf Facebook pflegt, wird ziemlich genau die gleichen Inhalte auf bei Google+ einstellen wollen und umgekehrt. Natürlich darf man nicht vergessen, dass Google+ derzeit nicht fertig ist.

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Bei der Gestaltung von Google+ zeigt Google viel Liebe zum Detail. Obwohl die Plattform aus lauter Einzeldiensten zusammengeschraubt wurde, wirkt sie in sich geschlossen, stimmig und übersichtlich. Erstes Fremdeln legt sich schnell – tatsächlich ist Facebook objektiv gewöhnungsbedürftiger und komplizierter.

Google+ ist schlicht gehalten, aber nicht in Art eines hässlichen Googlemail-Klon wie weiland noch Buzz. Die Fotoalben sind sehr übersichtlich, während Facebook derzeit mit einer Mischung aus Normal- und Großansicht nervt, die unmotiviert hin- und herschaltet. Außerdem gibt es eine hübsche Übersicht mit “Fotos aus meinen Kreisen”, die Facebook so nicht kennt. Dafür werden Youtube-Videos noch nicht in die Seite eingebettet sondern nur verlinkt. (Update: Eingebettet werden sie, wenn man den “Add Video”-Button benutzt. Automatisch wie bei Facebook geht das aber nicht.)

Weiter Pluspunkte sind eine eingebaute Chatfunktion namens Hangout und vor allem die Circles. Während Facebook seine Anwender mit Gruppen und Listen heillos überfordert, so dass man dort üblicherweise einfach alles an alle postet, bietet Google eine einfache Möglichkeit, seine Kontakte in verschiedene “Kreise” einzuteilen wie zum Beispiel Freunde, Bekannte usw. Das ist zwar immer noch etwas umständlich, aber sehr viel besser gelöst als auf anderen Plattformen und löst auf brauchbare Art das Problem, dass Partybilder vom Wochenende eben wirklich nur für den Freundeskreis sind.

Privatsphäre wird in dem Sinne natürlich nicht hergestellt – auch bei Google+ handelt es sich um eine Art öffentlichen Raum und man sollte sich dort auch so verhalten, statt auf sozialen Webplattformen illusorischen “Datenschutz” einzufordern. Schließlich kann ein Bild, dass man an einige wenige Leute gepostet hat, vollkommen unkontrolliert weiterveröffentlicht werden. Wirklich private Daten gehören also genauso wenig auf Buzz wie auf Facebook.

Größtes Manko derzeit: Der “+1″-Button. Mein Eindruck ist, dass man ihn wesentlich seltener klickt als den Like-Button aus Facebook. Es wird auch derzeit nicht angezeigt, wieviele Leute und ob Freunde etwas schon “gepluseinst” haben. Ebenfalls unausgegoren: Wenn ein Link oder ähnliches von vielen Leuten gepostet wird, erscheint er immer wieder im Stream, statt wie bei Facebook üblich zusammengefasst zu werden. Wahrscheinlich wird Google das noch verbessern.

Facebook-Killer?

Kommen wir nochmal zur Frage, die alle interessiert: Facebook-Killer? Das Zeug hätte Google+ dazu, allerdings fehlt vorläufig ein ganz entscheidender Punkt: Die Möglichkeit, Apps für Google+ zu schreiben. Ohne Farmville und all die anderen Spiele wäre Facebook nicht annähernd so beliebt. Um die Leute von Facebook zu Google+ zu locken, muss Google mindestens das anbieten, was Facebook auch schon kann, was derzeit nicht gegeben ist. Zusätzliche Features wie die an sich tolle Idee der “Circles” werden die Anwender kaum in Massen locken und können außerdem von Facebook leicht nachgeahmt werden.

Es gibt vorläufig kaum ein Argument, zu Google+ zu wechseln, aber jenseits von Spielen zwei sehr gute Argumente, bei Facebook zu bleiben: Alle anderen sind noch dort und vor allem: Ich finde es ganz angenehm, dass Google weiß, wonach ich suche, aber meinen “Social Graph” nicht kennt und Facebook umgekehrt meinen Social Graph kennt, aber nicht weiß, wonach ich suche, wem ich Mails schreibe und was für Textdokumente ich so habe. Trotz der der vielen, berechtigten Kritik an Facebook ist es wohl eine gute Idee, die Daten über meine Aktivitäten im Netz auf mindestens zwei unabhängige und konkurrierende Anbieter zu verteilen. Natürlich kann ich über die anderen Google-Dienste hinaus Google+ parallel zu Facebook nutzen – ich wüsste nur nicht, warum.

14 Gedanken zu „Google+: schöner aber derzeit überflüssiger Facebook-Klon“

  1. Ich (und viele Netzbekannte) halten die fehlende Möglichkeit, Apps für Google+ zu schreiben, als genau den Grund zu Google+ zu wechseln.

    Google+ fühlt sich wesentlich übersichtlicher und stimmiger an als Facebook. Und datenschutzmässig fühle ich mich (noch + seltsamerweise) in wesentlich ruhigeren Gewässern.

    Und wenn Du Mails schreibst, hat Google auch Deinen Social Graph. Da hilft eine Trennung nicht wirklich.

  2. @Balu Oh, ich blende auf Facebook auch alles aus, was entfernt nach Farmville riecht – aber trotzdem ist das IMHO der entscheidende Erfolgsfaktor. Unter Strich entscheiden die Spielkinder über den Erfolg, nicht die Puristen. Das war leider schon allzu oft so.

    Der Social Graph, der sich aus meinen Mails ergibt, ist ein völlig anderer als derjenige, der sich aus meinen Facebook-Kontakten ergibt. Wobei ich noch dazu sagen muss, dass ich meine Google-Adresse eigentlich nur für Mailinglisten, Notifications irgendwelcher Dienste und son Zeugs nutze und echte Mensch2Mensch-Kommunikation über einen eigenen IMAP-Server mit einer eigenen Domain stattfindet, auf die weder Google noch Facebook zugriff haben.

  3. Spontan ist es wesentlich besser und eleganter als Facebook. Es mach einfach mehr Spaß. Die Foto Funktion ist großartig. Das wird was. Und dann tschüss Facebook!

  4. Du hast vergessen, dass du reshares verhindern kannst. Und somit eben die Bilder nicht einfach überall auftauchen.
    Die Seriosität von Google+ scheint mir höher als bei Facebook. Und die Bedienung ist um einiges besser.

  5. @Metallord: Wie das? Eine solche Einstellmöglichkeit konnte ich bisher nicht finden. Beim Upload kann ich nur wählen, an wen das geht: bestimmte Kreise oder öffentlich. Wir haben da schon ein wenig rumexpirementiert, ein Re-Share war immer möglich.

  6. Die Tatsache, dass es kein Farmville gibt, sehe ich eher als Vorteil von Google+, nicht als Nachteil!

  7. @Lorenzo – natürlich, für die Masse zählt das aber nicht. “Die Tatsache, dass es kein RTL gibt, halte ich für einen Vorteil.” Merkste was? ;)

  8. “Ohne Farmville und all die anderen Spiele wäre Facebook nicht annähernd so beliebt.”

    Genau das ist der rund warum Google+ besser ist. Es macht diesen Müll wie Farmville und Co. nicht. Hoffentlich nicht!

    Die die daddeln wollen und belanglosen Kram verbreiten wollen können von mir aus gerne weiterhin Facebook nutzen.

  9. @Mac ein elitäres Social Network? *lach* was für eine Schnapsidee. Und wenn, dann bestimmt nicht von Google. Du hast doch einen sozialen Filter – sei einfach mit denjenigen, die spielen oder Belangloses verbreiten auf Facebook nicht befreundet, und gut ist. Das ist übrigens die Grundidee dahinter. Communities mögen Subkulturen ausschließend zusammenfassen – Google wird das nie und nimmer tun. Nicht dass ich das gutheiße, aber man sollte realistisch bleiben. Übrigens gibt es bereits die ersten Indizien für eine Spiele-API. Dazu demnächst mehr, falls sich das erhärtet.

  10. Google PLus gefällt mir besser als Facebook. Da sind noch keine nervenden Spiele und Apps verfügbar und ich finds übersichtlicher als bei FB.

    Ich bleibe lieber beu G+.

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