Personalisierte Tageszeitung “Niiu” am Ende
21. Januar 2011 - Enno Park

Die personalisierte Tageszeitung “Niiu“, die man seit ein paar Monaten in Berlin beziehen konnte, wird nicht mehr produziert. Auch wenn es eine Produktionspause sein könnte: der Fortbestand der individualisierten Tageszeitung ist ausgesprochen unwahrscheinlich geworden. Ehrlich gesagt: Mich überrascht das nicht.
Es gibt im Grunde zwei Arten des “Zeitunglesens” – die gute alte Zeitung, die von einer Redaktion zusammengestellt wird, oder das Durchforsten des RSS-Readers, gerne auch in Verbindung mit Anwendungen wie Instant Paper, aufgepäppelt mit Twitter und Facebook. Letztere ist deswegen überlegen, weil der Leser sich aus mehreren Quellen seine ganz persönliche Zeitung zusammenstellt. Das auf Papier nachzumachen, wie Niiu das tat, ist allerdings nur auf den ersten Blick eine gute Idee.
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Man darf nämlich nicht vergessen, dass die Nutzer einer eines Feedreaders derzeit eine ziemlich kleine Minderheit darstellen. Und selbst für diese Minderheit kostet die Aufnahme eines neuen Blogs in den eigenen Reader nur einen Klick, während man seine Niiu-Quellen explizit pflegen muss. Ich habe keine Zahlen, aber es würde mich wundern, wie es weniger sind als zum Beispiel Twitter-Nutzer. Leute, die keine Zeitung (mehr) lesen, tun das nicht zwangsläufig, weil sie sich ihre News perfekt zusammenstellen wollen, sondern weil sie mit der kostenlosen Vorauswahl bei Spiegel Online & Co. durchaus zufrieden sind. Die liegt zwar nicht auf Papier vor, kann aber zuhause auf dem Tablet, in der Mittagspause im Büro oder auf dem Weg zur Arbeit auf dem Smartphone gelesen werden. Wenn man dann noch auf Papier Nachrichten geboten bekommt, die man gestern schon online gelesen hat, wird die Tageszeitung sehr schnell langweilig.
Ich befürchte, dass der Aspekt, mehrere Quellen zusammen zu stellen, für die meisten Menschen eben nicht besonders wichtig ist, sondern die Tatsache, dass man die Nachrichten für lau und extrem aktuell im Web lesen kann. Und das Web ist spätestens mit dem Smartphone überall. Wenn das stimmt, dürften auch Geschäftsmodelle, die auf iPad-Apps basieren, recht schnell an ihre Grenzen stoßen. Wobei solche Apps gegenüber der Papierzeitung immerhin noch den Vorteil haben, nicht von gestern zu sein.
Stimme größtenteils zu. Auch ich war von Anfang an skeptisch, ob es Sinn macht, die Vorteile der Personalisierung von Nachrichten mit dem Nachteil des Papiervertriebs zu kombinieren. Wer Wert darauf legt, sich seine Nachrichten selbst zusammen zu suchen, kann das mit unbegrenzter Auswahl und topaktuell kostenfrei im Netz tun und hat dazu auch och Links und Kommentare, bzw. kann selbst kommentieren. Und gerade diese Zielgruppe soll sich mit Nachrichten von gestern zufrieden geben?
Allerdings halte anders als Du die Zielgruppe, die persönlich zusammengestellte Nachrichten nutzt, für groß und ständig wachsend. Allerdings heißen die Personalisierungstools der Wahl nicht Niiu, sondern Twitter, Facebook, Paper.li, Flipboard und Co.
@Ulrike wenn ich mit Menschen rede, die nicht in Medienberufen sind und die ich nicht im üblichen Social-Media-Kuddelmuddel kennengelernt habe: Die schaffen es zwar mittlerweile, SPON im Browser aufzurufen. Aber RSS-Reader? Nie gehört. Wir leben da definitiv in einer Blase, und das noch für ziemlich lange.
@Enno
D’accord, was den RSS-Reader betrifft, aber davon habe ich auch nichts gesagt. Facebook und Twitter ersetzen den RSS-Reader mittlerweile bei vielen, die ihn früher ausgiebig genutzt haben. Und der persönliche Nachrichtenstrom im sozialen Netz erreicht viel größere Kreise – auch solche, die bis heute nicht wissen, was ein RSS-Reader ist.
@Ulrike das stimmt natürlich. Wobei Twitter und Facebook bei mir RSS überhaupt nicht ersetzen können. Klar, dieses “die Nachricht wird mich finden”-Ding. Es gibt aber viele Blogs, die ich z.B. wirklich *verfolgen* möchte. Bei Twitter und Facebook rauscht viel zu viel durch. Ist wie fernsehen: Was da kommt, während ich es anhabe, nehme ich wahr, sonst nicht.
Jaaa, die Niiu war auch so ein Projekt, das von Anfang an zum Untergang verdammt war. Das konnte jeder ahnen, der sich mit Medien beschäftigt.
Die Gründer haben sicher ne Menge Starthilfe bekommen, so dass es niemandem wehtat. Nur, diese Starthilfe hätte man sinnvoller ausgeben können.
Ich hatte die niiu ein paar Wochen zur Probe und was mich neben dem Preis abgeschreckt hat, sie zu abonnieren, war nicht, dass es im Internet leichter und schneller geht, sich was zu zusammenzustellen, sondern, dass das Format und die Aufmachung mir nicht gefallen haben. Zumindest am Anfang fehlte z.B. bei einem zweiteiligen Artikel einer Zeitung die eine Hälfte, wenn man nicht genau diese zwei Seiten auch seiner Auswahl hinzugefügt hatte. Außerdem waren die Seiten 1:1 aus den jeweiligen Zeitungen, sodass es ein heilloses Kuddelmuddel gab, die Idee finde ich nach wie vor spannend, da ich auf dem Weg zur Arbeit z.B. oder auf Reisen lieber in einer Zeitung lese als auf iPad und Co..