Seit kurzem geistert mal als Presseartikel, mal als Party-Story die Mär von Ohr zu Ohr, in den USA würden bereits ein fünftel aller Scheidungen auf Facebook zurückgehen. Ein Fünftel! Und Facebook soll auch noch daran schuld sein! Bin ich der einzige, dem diese Meldung unglaubwürdig vorkommt?
Die Anzahl der Scheidungen müsste doch in den USA in die Höhe geschnellt sein. Dafür gibt es allerdings keine Anhaltspunkte. Im Gegenteil: Sie sinkt seit Jahren und betrug 2008 noch 5,2 Scheidungen auf 1000 Einwohner (neuere Zahlen konnte ich nicht finden.) 1980 waren es noch 7,9. Da im gleichen Zeitraum die Anzahl der Eheschließungen ebenfalls zurück gegangen ist, bewegt die Scheidungsrate ziemlich konstant um die 50% und sinkt eher als dass sie steigt.
Über Trennungen geben Zahlen nur bedingt Aufschluss. Mehr und mehr Menschen leben in Beziehungen ohne Trauschein und erreichen keine Statistik. Und keinen Scheidungsanwalt. Die Meldung geht nämlich auf eine Umfrage zurück, die die amerikanische Vereinigung von Scheidungsanwälten AAML unter ihren Mitgliedern gemacht hat. Dort ist dann schon nicht mehr von Facebook alleine sondern von sozialen Netzen die Rede. Und es geht auch nicht mehr um die Gründe einer Scheidung, sondern um die gerichtlich verwertbaren Beweise.
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Wer Schriftstücke vorlegen kann, hat es vor Gericht im Kampf um Geld und Sorgerecht erheblich leichter. Es ist völlig logisch, dass irgendwelche Online-Flirts oder andere Äußerungen vor Gericht herangezogen werden. Dass hingegen ein Partner das Facebook-Profil des anderen Partners entdeckt und deswegen schnurstraks zum Scheidungsanwalt rennt, ist nichts weiter als ein urbanes Märchen. Auch wenn ein Flirt online genauso viel Eifersucht erregen kann wie offline.
Dafür, dass Facebook irgend einen Einfluss auf die Scheidungsrate hat und Online-Affären ein Grund für jede 5. Scheidung seien, wie BILD behauptet, wie , gibt es hingegen derzeit nicht den geringsten Beleg. Fragt sich auch, warum das ganze gerade im Advent durch den Boulevard von Berliner Zeitung bis Meedia geistert. Die Meldung ist nämlich ein halbes Jahr alt. Mindestens.
[Bild (CC) Flickr/dblue]