Google Streetview als PR-Debakel

Es wird ja immer gerne geschimpft, dass nur wir Deutschen so eigen seien und nicht wollten, dass unsere Häuser bei Streetview beguckt werden können. Mag sein, aber bei aller Gartenzwergkultur dieser Debatte muss man fragen: Stellt Google sich nicht unheimlich dumm an?

Die Streetview-Debatte beginnt mit der Unwissenheit der Leute. Die glauben offenbar, ihr Grundstück würde da permanent und in Echtzeit totalüberwacht werden, so dass man die Anwohner via Google Maps jederzeit observieren könne. Dabei macht Google einfach nur eine erweiterte Form von Panorama-Fotos, die jahrelang dieselben bleiben werden. Auch wenn Google gerade eine sehr umfassende und teure PR-Kampagne fährt – es ist offenbar nötig, dies den Bürgern zu erklären und Google tut es offenbar nicht. Oder nicht so, dass es verstanden wird. Oder nicht so, dass es geglaubt wird, schließlich glauben wir ja der Zigarettenindustrie auch nicht, wenn sie “rauchen ist gesund” in Anzeigen drucken würde.

Dummerweise biegen die Medien das nicht gerade. Sie teilen sich in zwei Gruppen: Diejenigen, die noch versuchen, objektiv zu berichten, alles nicht so schlimm finden und vielleicht sogar mal das Thema Netzneutralität anschneiden, welches derzeit den eigentlichen Google-Skandal darstellt. Die meisten anderen schreiben lieber Schlagzeilen der Sorte: “Google Streetview: So schützen Sie sich“. Und ganz nebenbei scheint wieder zu passieren, was mir schon vor einem Jahr beim Spiegel aufgefallen ist: Tendenziell ist Streetview auf bedrucktem Papier böse, während es in den Online-Ausgaben und -Medien alles Panikmache ist. Anzeichen für einen “Culture-Clash” aber auch Anzeichen dafür, dass das Interesse der Medien, neutral zu informieren und ggf. über Gräben hinweg zu vermitteln, eher begrenzt ist.

[adrotate group="5"]

In einem solchen Umfeld sollte Google vorsichtiger agieren. Kürzlich ging, wenn auch mit einer kleinen Panne, das Tool online, womit die Leute der Abbildung ihrer Häuser in Streetview widersprechen können. Über den Sinn und Unsinn eines solchen Tools kann man trefflich streiten, aber hey: Es sind deren Häuser und deren Entscheidung.

Das Problem bei der Sache: Google kennt zwei verschiedene Verfahren: Das eine ist, Dinge nachträglich zu verpixeln, die schon längst in Streetview sichtbar sind. Das andere ist ein Verfahren, Google vorab zu verbieten, ein bestimmtes Haus abzubilden. Ersteres ist schon seit längerer Zeit und unbeschränkt möglich, während letzteres auf vier Wochen befristest ist. Natürlich hat das so gut wie niemand richtig verstanden und in der Öffentlichkeit denken jetzt alle, dass man innerhalb von vier Wochen Widerspruch einlegen müsse und danach gar nicht mehr. Google wirkt auf Otto Normaloffliner nun ganz besonders arrogant und Verbraucherschutzministerin Aigner kann öffentlichkeitswirksam fordern, dass diese Frist zu verlängern sei, damit auch die 90-jährige Oma Gelegenheit findet, sich darum zu kümmern.

Dabei ist die große Frage, was dagegen spricht, den derzeit befristeten Weg auch in Zukunft unbefristet offen zu lassen und die anderen Wege zum Widerspruch (Brief, nachträgliche Meldung…) weiterhin parallel zu erlauben – und zwar einfach alle Varianten ohne Frist. Die Aussage wäre: “Wer sein Haus verpixelt haben will, kann das jetzt und in alle Zukunft veranlassen.” Das ist zwar auch jetzt schon so, aber die Öffentlichkeit würde es besser verstehen und nicht an 4-Wochen-Deadlines glauben. PR und Kommunikation bei Google: mangelhaft.

Update 19.08.: Heute melden verschiedene Zeitungen, dass Google einknickt und die Widerspruchsfrist auf 8 Wochen verlängert.

[Foto Flickr/byrion (CC)]

5 Gedanken zu „Google Streetview als PR-Debakel“

  1. Ja, das das ist ein wichtiger Punkt, der hier angesprochen wird. Vielen Menschen – nicht nur den Offlinern – ist nicht klar, worum es überhaupt geht.

    Und ja, ich verstehe nicht, warum Google hier nicht schlauer war. Google sitzt doch an der Quelle wie kein anderes Unternehmen jemals zuvor in der Geschichte der Menschheit. Mann sollte annehmen, Google weiß, was die Menschen denken, noch bevor sie es selbst wissen…

    Falls es diese Diskrepanz zwischen Spiegel Online und Spiegel Print gibt, habe ich dafür eine ganz einfache Erklärung: Jeder Zielgruppe wird das geschrieben, was sie lesen möchte. Das wäre zumindest eine nachvollziehbare Erklärung.

  2. Wenn es technisch möglich wäre jedem der dagegen ist auch den Gebrauch von Googlediensten wie Earth, Ocean, Weltall, Maps, Youtube usw zu entziehen und auch anderen Anbietern die ähnliche Dienste haben wie zB Microsoft (über die sich komischer Weise niemand aufregt.. warum ???), dann fänden das die Betreffenden sicher gar nicht lustig, dass man sie ausgrenzt.
    Das ist die Methode wasch mich aber mach mich nicht nass. Jeder will es nutzen aber viele wollen sich, angestachelt durch die Verbraucherministerin, die damit wichtigeren aber unbequemeren Aufgaben entflieht, gern gegen (hauptsache etwas) aufregen als Kompensation für andere Sachen, gegen die man nichts machen kann.

  3. Genau das denke ich auch, Oliver Springer. Jeder stellt sich derzeit die Frage, wieso Google nicht schon viel früher gehandelt hat. Ich denke, allein wegen dieser Unwissenheit hat Google Street View momentan einen so negativen Standtpunkt für die Menschen.

Kommentare sind geschlossen.