Südafrika 3 – Viel mehr als nur ein sportliches Großereignis

Janine Lewerenz ist nach Südafrika ausgewandert. Die Kollegin schreibt, wie sie den Worldcup im Gastgeberland erlebt.

Radiosender und lokale Fernsehstationen sprechen und berichten schon seit Tagen von kaum etwas Anderem mehr:  Der Soccer World Cup hat begonnen und ist in aller Munde.

Überall hängen Poster und Banner in den Straßen, freiwillige Helfer der Fifa verteilen Flyer und Fahnen, Zeitungen informieren über Spielverläufe und berichten über originelle und informative Geschehnisse am Rande des Rasens  – alle mit dem Ziel, Jeden, wirklich Jeden an diesem unvergesslichen Großereignis teilhaben zu lassen!

Auch die Hafenmetropole Kapstadt veranstaltet täglich aufs Neue große Paraden und Musikevents, die die Menschen aus den eigenen vier Wänden oder Hotelzimmern locken und auf den öffentlichen Schauplätzen zusammenführen. Bunte Kioske im Stil der typischen Badehäuser entlang des Kaps der Guten Hoffnung locken rund um das Fußballstadium zu Fanartikelkauf, dem Verspeisen des berühmten Trockenfleisches Biltong oder dem Schießen von Fotos mit farbenfrohem Hintergrund.

In solch einmaligen Momenten wird uns immer wieder bewusst, dass die WM nicht nur ein sportliches Großereignis darstellt, sondern viel mehr zu bieten hat als nur Fußball. Sie weckt Vertrauen in Menschen und Land, demonstriert Zusammenhalt, entfacht eine unglaubliche Euphorie unter den Fans und weckt neue Lebensphilosophien und Einstellungen. Menschen der unterschiedlichsten Nationen und Kulturen liegen sich in den Armen, verfolgen zusammen und mit voller Begeisterung die Spiele auf Großleinwänden und trinken und feiern unter begleitendem Getröte der Vuvuzelas bis tief in die Nacht. Und manche machen ihren Vuvuzuelas auch etwas ganz anderes.

Nordkorea und Griechenland in Port Elisabeth

Um die Stimmung und Gegebenheiten der ersten afrikanischen Fußball-WM auch in einer anderen WM-Stadt zu erleben und dort ein Spiel live mitverfolgen zu können, machten wir uns am Tag nach unserer ersten Stadionerfahrung auf nach Port Elisabeth im Eastern Cape.

Zwölf eher anstrengende Stunden Fahrt lagen hinter uns, doch war schon bei Ankunft des Busses am Bahnhof alle Müdigkeit verflogen. Die im Verhältnis zu Kapstadt eher kleine und überschaubare Stadt besticht in erster Linie durch ihre wundervollen Strände und als Ausgangspunkt für Touren in einen der zahlreichen Safariparks. Doch seit der Entscheidung, hier eines der Stadien für die WM zu errichten, zählten nicht mehr Elefant oder Büffel – sondern Fußball.

Diese Begeisterung wurde auch baulich umgesetzt: Mit dem Nelson Mandela Bay Stadium ist wahrlich ein archtitektonisches Schmuckstück errichtet worden, das dem Cape Town Stadion in keiner Weise nachsteht. Überaus freundliches Sicherheitspersonal an den vielen Eingängen trugen ebenfalls dazu bei, dass wir schon vor Anpfiff überzeugt waren, die beinahe 800 km definitiv nicht umsonst zurückgelegt zu haben. Das Spiel war zwar nicht restlos ausverkauft, doch die über 30.000 Fans feierten so ausgelassen ihre Teams, dass man das Gefühl hatte, die doppelte Anzahl Zuschauer wäre zugegen. Und auch anattraktiven Aktionen im Umfeld und während der Halbzeitpause bestand wahrlich kein Mangel. Auf einem riesigen WM-Ball konnte man seine eigenen Erinnerungen schriftlich der Nachwelt hinterlassen oder mit einem 3D-Foto den Betrachter in den Glauben versetzen, selbst auf dem Spielfeld gewesen zu sein.

Wer bis dahin immer noch keinen der verrückten Hüte hatte ergattern können: Dieser Zeitpunkt war jetzt gekommen, und natürlich haben wir haben ihn sofort genutzt! Mal sehen, bei welcher Begegnung wir diese zur WM so populär gewordenen Kopfbedeckungen das nächste Mal tragen. Sicher ist: Wann immer wir sie aufsetzen, werden wir uns an einen wunderbaren Tag in Port Elisabeth erinnern.

Trotz der 0:3 Niederlage unserer Bafana Bafana-Jungs sind wir sicher, dass die Feierstimmung in Kapstadt bis zum 11. Juli nicht abbrechen wird – unabhängig davon, wie die kommenden Spielergebnisse ausfallen und wer in die Runde der letzten 16 einziehen wird.

Fans, Freude, Feierlaune

Denn es ist wahrlich ein Genuss, die vielen Menschen auf den Straßen Kapstadts und im ganzen Land so fröhlich zu sehen. Aus den Gesichtern lässt sich pure Freude und Stolz über die erste WM auf afrikanischen Boden ablesen. Voller Begeisterung verkörpern sie die Philosophie und Besonderheiten des Landes und erobern mit ihrem südafrikanischen Charme mehr und mehr die Herzen der ausländischen Fans.

Auf der Bühne an der Fanmeile vor der City Hall werden Konzerte gegeben, solange nicht mit Tausenden anderen Fußballverrückten auf der Großleinwand ein Spiel betrachtet und kommentiert wird. Denn wir alle wissen: Dem 12. Mann sollte die Verantwortung für die Mannschaftsaufstellungen über- oder zumindest die Möglichkeit gegeben werden, den Freistoß selber zu verwandeln. Denn welche Flanke hätte nicht sogar die eigene Großmutter ins Netz gehauen?!

Sogar die Schulferien wurden verlängert, um allen Altersstufen die Option einzuräumen, keine Spielbegegnung zu verpassen. Kapstadts Zentrum ist zur verkehrsfreien Zone umfunktioniert worden und hat sich in eine einzige Nonstop-Partymeile gewandelt. Und nachts gleicht die Mother City einem einzigen Lichtermeer. Der Tafelberg angestrahlt, die V&A Waterfront mit zahlreichen Lichtern geschmückt, die Küstenstraßen im Schein speziell arrangierter Beleuchtung – das kennen wir nur von unseren Weihnachtsmärkten.

Nebenbei sei erwähnt, dass die deutschen Fahnen neben den englischen und holländischen auch in Südafrika zum Kassenschlager rangieren. Wie man von den Verkäufern vernehmen kann, spülen die Fanartikel an einem Tag ungeahnte Einnahmen in deren Taschen. Es sei ihnen gegönnt.

Kapstadt ist Fernseh- und Radioberichten zufolge nicht die einzige WM-Stadt, in der es wie beschrieben zugeht. Auch ganz Johannesburg steht Kopf und feiert sein südafrikanisches Wintermärchen. Ein Märchen, das zur Realität geworden ist.

[Text und Bilder: Janine Lewerenz / preis.de]


 
 
 
 

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