Konzerne besorgen sich 100 Millionen Facebook-Profile

Vor ein paar Tagen war es so weit und Facebook erlebte seinen Daten-GAU: Etwa 100 Millionen Profile wurden maschinell ausgewertet und dann in einer 2,7 GB großen Datei über Bittorrent verbreitet. Zunächst blieb man im Netz gelassen: Es handelt sich ja nur um Daten, die öffentlich einsehbar sind. Quasi selbst schuld, wer sein Profil nicht verrammelt hat.

Dass man mit dieser Logik nicht allzu weit kommt, beginnt schon bei dem Punkt, dass sehr viele Facebook-Nutzer mit den Sicherheitsheits- und Privatsphäre-Einstellungen dort überfordert sind. Im Datenbestand dürfte sich also sehr vieles finden, was die Urheber eigentlich in der Form nicht wirklich veröffentlichen wollten.

Aber auch wer (wie ich) Facebook nicht als privaten Raum sondern als Öffentlichkeit begreift und sich deshalb auch wie in der Öffentlichkeit verhält, dürfte Unwohlsein empfinden angesichts der langen Liste an Unternehmen, die sich gerade die Facebook-Daten besorgt haben. Da die Daten über Bittorrent verbreitet werden, kann jeder “seeden” und mitschneiden, von welchen IP-Adressen die Daten geladen wurden. Facebook-Profile als Honeypot quasi.

Die Liste der großen Unternehmen, die Gully veröffentlicht hat, ist erschreckend lang. Darunter befinden sich Unternehmen wie A.C. Nielsen, Vodafone, IBM, Deutsche Telekom, Disney – aber auch Scientology. Ich frage mich trotzdem, ob der Download dieser Daten über Bittorrent nicht zumindest nach deutschem Datenschutzrecht illegal ist und wie Siemens oder die Telekom das rechtfertigen wollen. Vermutlich werden diese Firmen die Datenbestände mit ihren eigenen Kundendaten abgleichen, vielleicht nutzen sie sie aber auch nur, um nachzulesen, wie diese 100 Millionen Menschen über sie schreiben, was als einziges legitim wäre.


 
 
 
 

6 Kommentare zu “Konzerne besorgen sich 100 Millionen Facebook-Profile”

  1. knalli - 30. Juli 2010 um 17:48

    Was spricht eigentlich dagegen, dass es einfach nur in fast jedem (relevant großen) Unternehmen mindestens einen Mitarbeiter gegeben hat, der einen Download (für sich) gestartet hat?

  2. Enno Park - 30. Juli 2010 um 18:31

    @knalli Da spricht überhaupt nichts gegen und wird im Gulli-Artikel auch ausführlich genannt. Trotzdem werden die genannten Mitarbeiter schon einen Grund haben, was sie mit den Daten so anfangen wollen…

  3. Digital Life – Links des Tages vom 30.07.2010 » facebook page marketing, marken, slimPDF, socialmedia, starcraft II, wordpress » Digital Life - 30. Juli 2010 um 20:06

    [...] Tree: Konzerne besorgen sich 100 Millionen Facebook-Profile Ich sage ja das Web ist ein öffentlicher Raum, privat ist wo anders! Aber das sogar Unternehmen [...]

  4. Oliver Springer - 31. Juli 2010 um 21:02

    Soweit es tatsächlich um öffentliche Profildaten geht, kann ich nichts Verwerfliches darin sehen, sich diese öffentlichen Daten zu besorgen und auszuwerten.

    Abgesehen davon, dass der Wert von Privatsphäre an sich diskussionswürdig ist: Niemand darf erwarten, Kontrolle über Daten zu haben, die er selbst öffentlich im Internet oder auch nur für alle Community-Mitglieder publiziert.

    Als nächstes beschweren sich noch Leute, die ein privates Blog führen, damit ihre Freunde darin lesen können, wenn diese Daten eingesammelt werden…

    Wo bitte ist der Unterschied, ob man Informationen in ein öffentliches Facebook-Profil oder in ein Blog bei einem Bloghoster wie etwa blog.de setzt?

    Wer sich von den Privatsphäre-Einstellungen bei Facebook überfordert fühlt, sollte im Zweifel davon absehen, Informationen online zu stellen, die nicht jeder sehen soll.

  5. laemmy - 1. August 2010 um 12:34

    Also ich hab mir die selbst Daten angesehen. Die Datensätze enthalten Vorname, Familienname und die URL zum FB-Profil. Das sind im Augenblick alles Daten, die sowieso öffentlich verfügbar sind und auch von sämtlichen Suchmaschinen indexiert sind. Jedes dieser Unternehmen sollte mindestens einen fähigen PERL-Hacker haben, der sich so ein Script selbst mal eben schnell zusammenschraubt und damit bei Interesse auch weitere und relevantere Daten zieht.

    Die FB-Anwender sollten sich langsam im klaren darüber werden, dass Facebook nicht das wohl behütete Wohnzimmer ist, sondern eben wirklich zum öffentlichen Raum gehört.

  6. Nussknackerin - 1. August 2010 um 18:07

    Seit dem ersten Kassenbon mit genauer Datenerfassung, produziert in den 80ern [in D] sehen wir alle die High Tech Entwicklung. Der gläserne Kunde ist ein alter Hut, der gläserne User ist Realität. Die ist nicht überraschend. Vielmehr ist jeder Einzelne aufgefordert, zu denken, bevor er etwas veröffentlicht. Sich zeigen in dem Mass, das man für sich vertreten kann. Umso sorgfältiger ist die eigene Achtsamkeit im Focus jeden Posts.