Das iPhone 4 hat ein Problem mit dem Empfang, das zu Verbindungsabbrüchen führen kann, wenn man das Telefon falsch hält. Drei Wochen lang wurde das Problem von Apple quasi geleugnet, dann gab es Freitag eine merkwürdige Pressekonferenz. Merkwürdig, weil Steve Jobs einerseits behauptete, das Problem existiere eigentlich gar nicht, dann aber seinen Kunden für das inexistente Problem eine Lösung in Form einer Schutzhülle versprach und sich ansonsten damit verteidigte, andere Hersteller hätten das Problem schließlich auch. Die waren natürlich gar nicht erfreut.
BlackBerry-Hersteller RIM und Nokia reagierten mit Verlautbarungen. Beide betonen ihre Marktführerschaft im Antennendesign und ihre mittlerweile Jahrzehnte währende Erfahrung. Apple spricht von einem vier Verbindungsabbrüchen bei 100 Telefonaten statt dreien beim iPhone GS. Ich diskutiere darüber gerade mit einem Kollegen, ob das viel oder wenig ist. Manche halten das für normal, ich empfinde das als viel. Tatsächlich besitze ich weder iPhone noch BlackBerry, bin mir aber sicher, dass sich bei allen Telefonen, die ich bisher so besaß, vergleichbare Verbindungsabbrüche nie hatte – vom uralten Siemens S60 über mehrere Nokia-Modelle einschließlich dem N95 und dem N86, einem Toshiba Protégé bis hin zum Palm Pre. Probleme hatte ich nur auf Bahnfahrten und in Funklöchern.
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die genannten Konkurrenzmodelle Antennen besitzen, die im Innern des Gerätes eingebaut sind. Die Empfangsleistung durch Abschirmen mit der Hand zu drosseln, funktioniert tatsächlich bei fast jedem Handy mehr oder weniger gut. Beim iPhone 4 ist die Antenne allerdings Bestandteil des Gehäuses und ringförmig gebaut, wobei der Ring nicht geschlossen sein darf. Tatsächlich muss man das Gerät gar nicht mit der Hand abschirmen: Es reicht aus, den Antennenring mit einem Finger kurz zu schließen.
So ein Kurzschluss kann nicht mehr passieren, wenn eine Schutzhülle über dem Ring liegt. Mit solch einer Hülle ist es tatsächlich egal, wie man das Telefon in der Hand hält, ob man es mit der Hand abschirmt oder ob man die Aussparung links unten mit dem Finger berührt. Sie haben also ein Gerät gebaut, das man durch einfaches Berühren und Kurzschließen mit dem Finger seiner Kernfunktion berauben kann.
Apple ist bekannt für tolles Design, aber Design ist eben nicht gutes Aussehen, sondern folgt der Maxime “Form follows function”. Diese Maxime haben die Apple-Designer offenbar zu Gunsten eines sexy Aussehens des Gerätes vernachlässigt. Das ist für eine Firma wie Apple, deren Existenzberechtigung perfektes und überlegenes Produktdesign ist, eigentlich der schlimmste und am meisten tiefgreifende Vorwurf. Es ist Apples Versagen in einer Kernkompetenz und das ist wohl auch der Grund, warum Jobs so herumlaviert.
Dabei wäre es offenbar ziemlich einfach gewesen, das Problem zu verhindern. Vermutlich hätte eine Kunststoffverkleidung des Rahmens oder vielleicht sogar eine einfache Lackschicht ausgereicht. Der Fehler ist umso unverständlicher, nachdem Bloomberg meldet, ein Apple-Mitarbeiter habe schon frühzeitig vor dem Problem gewarnt.
Apple versteift sich darauf, dass sich nur 0,55% der Kunden ihrer Kunden übers Telefon beschweren würden. HTC – ebenfalls von Apple mit ins Antennagate hineingezogen – kontert mit 0,016%. Solche Zahlen führen allerdings in die Irre: Apple hat drei Wochen lang kommuniziert, dass es kein Problem gebe. Natürlich bin ich als Kunde weniger geneigt, ein Gerät zu reklamieren, wenn man mich glauben macht, bei Handys “sei es halt so”. Ebenfalls ist Apples Kultfaktor zu berücksichtigen: Wieviele Menschen finden das iPhone so “sexy”, dass sie geneigt sind, einen solchen Designfehler zu akzeptieren, solange ihnen ihr iPhone ansonsten gibt, was sie verlangen?
Spaß am Rande ist, dass Steve Jobs sich in Verschwörungstheorien versteigt: Man habe Apple jetzt halt auf dem Kieker. Das ist nicht nur traurig angesichts der Logik, ein angeblich gar nicht vorhandenes Problem auch bei der Konkurrenz zu orten und mit Schutzhüllen zu kurieren. Einfache Frage: Warum ist heute Youtube voll von Videos, die Verbindungsabbrüche mit dem iPhone 4 zeigen, während es vor einem Jahr kaum Videos gab, die das gleiche Kunststück mit dem 3GS vorführen? Oder mit Modellen von Nokia, HTC oder dem RIM BlackBerry Bold 9700?
Tatsächlich fragte ein Reporter auf der Konferenz nach: Er könne sein BlackBerry Bold nicht dazu bringen, die Verbindung zu verlieren. Ob Steve Jobs ihm das nicht hier vorführen könne? – Steve Jobs weigerte sich lapidar: “You may not see it in certain areas.” – in bestimmten Gebieten funktioniere es halt nicht.
[Foto: Flickr / Acaben (CC)]
Sorry, aber dieser Artikel hat einfach alles, was schlechte Berichterstattung ausmacht. Kein Hintergrundwissen, kein Vordergrundwissen und teilweise einfach falsch Übersetzte Aussagen. Er ist einer der Artikel, der vor allem versucht, auf die aktuellen “Entrüstungswelle” aufzuspringen und noch etwas Anteil/Aufmerksamkeit zu bekommen. Er ist IMHO absolut überflüssig und wird diesem Blog absolut nicht gerecht!
1. Steve Jobs hat zugegeben, dass das iPhone 4 Probleme mit dem Empfang hat, wenn man die Antennen entsprechend verdeckt. Das Problem wurde auch noch nie geleugnet.
2. Das Problem ist allerdings (GSM/UMTS-Systembedingt) und lässt sich mit so gut wie jedem Handy das ich in der letzten Woche in die Finger bekommen habe reproduzieren. Darunter Klassiker wie das SonyEricsson T610i, einen Blackberry Bolt, ein Nokia N (irgendwas).
Wohlgemerkt: Ich hatte das Problem mit noch keinem meiner Handys im täglichen Betrieb, auch nicht mit meinem aktuellen iPhone 4!
3. Die Verbindungsabbrüche beziehen sich auf die USA mit ihrem marroden und schlecht ausgebautem UMTS/GSM-Netz. In Deutschland ist das Netz wesentlich besser ausgebaut und es sollte im “normalen Betrieb” zu keinen Abbrüchen kommen. Steve spricht auch nicht von “einem Verbindungsabbruch pro 100 Gesprächen”, sondern von “einem Verbindungsabbruch MEHR pro 100 Gesprächen” (im Vergleich zum 3GS).
4. Offenbar stimmt es (und ist physikalisch nachvollziehbar), dass der Einfluss des Anfassens auf die Empfangsleistung durch eine Hülle verringert werden kann, und das egal mit welchem Handy.
Ich kann nur sagen, dass das iPhone 4 – gefühlt – den besten (GSM- und WiFi-) Empfang aller Handys hat, die ich in den letzten Jahren ausprobieren konnte.
Ich finde die Berichterstattung hier – und leider auch in vielen weiteren Medien – absolut überzogen und ohne eigene Erfahrung. Die Aussage “Tatsächlich besitze ich weder iPhone noch BlackBerry, [...]” sagt hier wohl schon alles… :(
@Michael Schmid Ich habe mir als Nichtexperte sehr viel Zeit genommen und sehr viele Meinungen im Web gelesen und “Antennagate” über 3 Wochen hinweg intensiv verfolgt, bevor ich diesen Artikel schrieb. Es ging mir in keiner Weise darum, auf irgend einen Zug aufzuspringen. Andere Quellen und Faktenlage hätten mich auch zu einem Apple-Verteidigungs-Artikel führen können, taten sie aber nicht. Ich bin Apple gegenüber recht neutral eingestellt, benutze selber Apple-Produkte, bin aber kein Fan.
Zu 1. Steve Jobs: “there is NO antennagate” (im Artikel verlinkt)
Zu 2. Es gibt, wie im Artikel ausführlich erleutert, nicht um das Abschirmen der Antenne mit der Hand – ein Problem ,das jedes Handy kennt, sondern um das Kurzschließen der Antenne an der Aussparung links unten, das so nur bei der Bauform möglich ist, die Apple gewählt hat.
Zu 3. Muss ich nochmal nachlesen, ändert aber nichts am Sachverhalt. Dann würde mich besonders interessieren, wieviele Verbindungsabrüche denn so ein iPhone auf 100 Gespräche hat.
Zu 4. Bitte ich um eine Quelle: Bei anderen Handys liegt ja die Antenne geschützt im Innern des Gerätes und ist nicht Teil des Gehäuses. Ich wüsste nicht, wie reines Anfassen (im Gegensatz zum Abschirmen) hier eine Auswirkung zeigen sollte.
Die Aussage »ich besitzte kein iPhone …« dürfte wohl auf die meisten zutreffen, die es derzeit kritisieren. Ich kann über die ganze Angelegenheit nur den Kopf schütteln. Ich habe das iPhone 4 auch (noch) nicht (aber bestellt). Was ich bisher, auch in ansonsten seriösen Medien, gelesen habe, ist, dass sich der Empfang des iPhones unter bestimmten Bedingungen verschlechtert. Diese offenbare Tatsache wurde zur Katastrophe hochstilisiert und mit dem vermeintlichen Problemen beim Bremssystem von Fahrzeugen Toyotas verglichen. Hier geht es um vier statt drei abgebrochene Anrufe pro 100, dort um Todesopfer. Vor Apple es demonstriert hat, hat keine Berichterstattung darauf hingewiesen, dass bei den meisten Handys eine Verminderung der Empfangsleistung auftritt, wenn man sie entsprechen hält. Ist die Leistung nach der Verminderung besser oder schlechter als bei einem durchschnittlichen Konkurrenzprodukt? Danach scheint niemand gefragt zu haben.
Mir fallen zum iPhone-Problem Tests in Konsumentenzeitschriften ein. Da heißt es am Ende: Fazit, Plus, Minus. Und ev. ist beim iPhone die Verminderung der Empfangsleistung ein Minus. Aber ist das ein Grund eine Rückrufaktion zu fordern?
Zum Thema Rückrufaktion fällt mir noch einmal Toyota ein. Der Konzern hat von den Meldungen über die Probleme mit Bremssystemen extremen Schaden genommen, das Image außerordentlich gelitten. Wochenlang war es Thema in den Medien. Vergangene Woche habe ich in einer Kurzmeldung gehört, dass nach Abschluss der Untersuchungen der Probleme feststeht: Ein einziger Unfall wurde tatsächlich durch ein Verklemmen der Fußmatten in den Bremspedalen verursacht. Der Rest ist durch Fehler der Fahrer verursacht worden, die auf das Gaspedal getreten sind, statt auf die Bremse, was bei den in USA üblichen Autos mit Getriebeautomatik anscheinend gar nicht so selten passiert. Interessiert jetzt aber niemanden mehr.
Ich kann übrigens auch über die Aussage, der Autor habe bei all seine bisherigen Handys praktisch gar keine Abbrüche gehabt, nur ungläubig den Kopf schütteln. Ich lebe hier in einer Region, mit einem durchaus gut ausgebauten Mobilnetz. Aber gelegentliche Ausfälle hatte ich bisher mit jedem Mobiltelefon, und ich kenne keinen, der das nicht gelegentlich hat.
@Markus Die Aussage zum Empfang ist alles andere als allgemeingültig, ich schrieb ja schon, dass ich mich mit einem Kollegen drüber streite. Vielleicht sollte ich anmerken, dass ich als Hörgeräte-Träger die letzte Zeit nur noch sehr selten telefonieren, früher aber jahrelang trotz höherer Kosten nur mit dem Handy Telefoniert habe, weil das digitale Netz in Verbindung mit Handy und einer Kopplung ans Hörgerät mit Abstand die beste Klangqualität liefert. Ich kann mich wirklich nicht daran erinnern, jemals einen Verbindungsabbruch gehabt zu haben, egal mit welchem Gerät.
Das andere: Bei der Washington Post habe ich kürzlich gelesen, dass sie das iPhone 4 aus der Liste der 10 besten Handys genommen haben. Aber nicht dauerhaft, sondern “pending”, das heißt: Sie wollen es nochmal testen. Ich glaube auch, dass dieser Punkt wegen Applegate in Zukunft nicht nur beim iPhone 4 in Testberichten genauere Betrachtung finden wird. Meine Kollegen bei Stereopoly werden da ganz bestimmt drüber berichten und ich werde selbstverständlich hier an dieser Stelle ergänzen, wenn sich neue Fakten ergeben. Versprochen.
P.S.: Den Toyota-Vergleich finde ich in mehrfacher Hinsicht genauso unangemessen wie du.
Schöner Artikel.
Allerdings glaube ich kaum ,dass sich nur 1/3 der Menschen so über ein “defektes” bzw. anfälliges Nokia Handy aufregen würden wie das bei Apple der Fall ist.
Bsp.: Nokias einführung der Navigation. Es wurde geworben mit Navigation fürs Handy etc. In Wahrheit musste man erstmal eine Software von Nokia für 70 Schleifen kaufen damit eine Navigation möglich war. Auch die damaligen GPS Antennen die verbaut wurden waren ein Witz. Der große Aufschrei blieb allerdings aus. Wäre das Steve passiert würde ein Aufschrei durch die gemeinde gehen.
Es ist eben das erste mal, dass sich die Jungs von Apple selbst einen Stock in die Beine geschmissen haben. Daher der große Aufschrei.
Wenn man es nicht will: Nicht Kaufen !
(das würde dann auch endlich mal die Lieferbarkeit von mehreren Wochen senken)
Gibt’s eigentlich auch schon empirische Daten zum iPhone in einem richtigen UMTS-Netz (also kein AT&T), z.B. aus Deutschland ? Wie sieht’s hierzulande mit Abbrüchen aus ? Da hab’ ich noch gar nichts gehört, und es sind ja wohl schon einige unterwegs.
Stimmt ja, das Nokia N95, das GPS Handy, mit dem es mir auch unter Idealbedingungen nicht gelang auch nur einen GPS Sateliten zu sehen (geschweige denn meine Position zu ermitteln).
Ich glaube auch, dass die Verhaltensweise von Apple durchaus okay war: das Problem eingestehen, darauf hinweisen, dass es nicht ansatzweise so groß ist wie alle tun, eine optionale Lösubg anbieten und — darauf wird im Artikel leider nicht hingewiesen — verlängerte Umtauschzeiten anbieten.
Das die Garantierfälle bei HTC Handies so gering sein sollen, kann ich mir nur durch eine höhere Tolleranzschwelle bei HTC Nutzern erklären. Ich selbst habe ein HTC Magic als Zweitgerät und es ist notorisch schlecht darin sich ins WLAN einzuhängen, eine Krankheit, die auch das Nexus One, dass ich gerade teste auch noch hat.
@Thommy: Du schreibst: “Allerdings glaube ich kaum ,dass sich nur 1/3 der Menschen so über ein “defektes” bzw. anfälliges Nokia Handy aufregen würden wie das bei Apple der Fall ist.” – Damit hast du vollkommen recht. Es hängt wohl auch mit Apples Nimbus zusammen.
@Max Ebenfalls muss ich dir recht geben: das N95 war mies, in mehrerlei Hinsicht. Verstehe es bis heute nicht, wie es vor 2 oder 3 Jahren so lange auf Platz 1 im Chip-Ranking stehen konnte. Ein nahezu perfektes klassisches Slider-Handy war dann das N86, aber das hatte ich nur kurze Zeit, wollte halt ein Smartphone. Die Zahl stammt von HTC und ist natürlich genauso mit Vorsicht zu genießen, wie die von Apple.
Fazit: Vermutlich hätte ich mir diesen Post gespart, wenn es wirklich nur um die Abschirmung des Handys per Hand gehen würde. So, wie ich es bisher verstehe, kann man aber die Antenne durch bloßes Berühren kurzschließen, und das bleibt in meinen Augen ein Designfehler. Interessant übrigens, dass es da große Schwankungen zu geben scheint: http://www.handy-faq.de/forum/iphone_forum/151342-iphone_4_hat_empfangsproblem.html
Ich hoffe, daß dieses Breittreten in den Medien von Apple´s Antennenproblem alle Hersteller dazu bewegt, in Zukunft wieder vermehrt darauf zu achten, die Basics eines Telefons wieder auf Vordermann zu bringen. Apple ist doch nur einer von vielen. So denke ich an einen schwedisch-japanischen und z.Zt. sehr populären koreanische Hersteller, die sich in der Vergangenheit immer wieder bei diesem Thema ebenfalls nicht mit Ruhm bekleckert haben….