Vorratsdatenspeicherung 2.0

Am 2. März kippte das Bundesverfassungsgericht die Vorratsdatenspeicherung, woraufhin die Telekommunikationsunternehmen damit anfingen, die bis dahin gesammelten Daten zu löschen. Mittlerweile unternimmt die Innenministerkonferenz einen neuen Anlauf – während auf EU-Ebene mit perfiden Tricks versucht wird, die Richtlinie noch zu verschärfen: Künftig soll auch erfasst werden, was wir alles so bei Suchmaschinen wie Google eintippen.

Das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung trat am 1. Januar 2008 in Kraft und geht auf eine EU-Richtlinie zurück, die maßgeblich von Deutschland eingebracht worden war. Es zwang die großen Telekommunikationsanbieter zur Überwachung ihrer Kunden: Wer wen wann und wie lange anruft, wer wem wann welche E-Mail schickt oder sich mit dem Handy wann und in welcher Funkzelle aufhält – diese Verbindungsdaten sollten monatelang gespeichert und gegebenenfalls Ermittlungsbehörden bereit gestellt werden.

Nach einer Verfassungsklage prominenter Politiker, der sich über 35.000 Bürger angeschlossen hatten, kippte Karlsruhe das Gesetz. Was man früher Briefgeheimnis nannte, trägt heute den Namen Telekommunikationsgeheimnis – und die Vorratsdatenspeicherung ist ein äußerst tiefer Eingriff in selbiges. Laut Verfassungsgericht hätte der Gesetzgeber viel enger begrenzen müssen, in welchen Fällen Behörden auf diese Daten zugreifen dürfen, und viel detaillierter festlegen müssen, wie diese Daten vor Missbrauch zu schützen seien.

Natürlich war es nur eine Frage der Zeit, bis es zum nächsten Anlauf kommt. Ende Mai verlangte die Innenministerkonferenz ein neues Gesetz – bei der Abstimmung hatte sich lediglich Nordrhein-Westfalen enthalten. Wie dieses Gesetz aussehen wird, kann derzeit noch niemand sagen, aber es muss sich natürlich an der nach wie vor umzusetzenden EU-Richtlinie orientieren. Und an deren Verschärfung wird gerade gebastelt.

Die Richtlinie soll dahingehend verändert werden, dass erstmals nicht nur reine Verbindungsdaten sondern auch Inhalte auf Vorrat zu speichern sind – nämlich wonach wir bei Google und anderen Suchmaschinen so suchen. Die so gewonnenen Daten sollen unter anderem als Frühwarnsystem gegen Kindesmissbrauch funktionieren. Würde man das so umsetzen, wäre die Vorratsdatenspeicherung auch keine Datenhalde mehr, in die Ermittlungsbehörden bei Verdacht mal hineinschauen können, sondern eine permanente Überwachung von Bürgern wegen virtueller Straftaten, die sie vermutlich eventuell begehen könnten.

Ein Versuch, diese Vorratsdatenspeicherung zu verschärfen, ist die so genannte „Erklärung 29“. Die Zahl der Unterzeichner ist bereits dreistellig, allerdings protestieren mittlerweile auch Abgeordnete wie Cecilia Wikström und ziehen ihre Unterschrift zurück, weil sie sich getäuscht fühlen. Von der Vorratsdatenspeicherung war in der Erklärung, die besseren Kinderschutz fordert, keine Rede. Lediglich in einer kleinen Fußnote tauchte ohne nähere Erläuterungen ein Hinweis auf, dass der Unterzeichner der Erklärung auch die Ausweitung der Vorratsdatenspeicherung fordert. Diese Fußnote war so leicht zu übersehen dass sogar Christian Engström, der für die schwedische Piratenpartei im EU-Parlament sitzt, die „Erklärung 29“ versehentlich unterschrieben hat.


 
 
 

Ein Kommentar zu “Vorratsdatenspeicherung 2.0”

  1. Thomas - 7. Juni 2010 um 16:40

    Wenn das so weiter geht, wird sich Google bald auch aus der EU zurueckziehen muessen ;)

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