Die endlosen Privacy-Debatten rund um Facebook und Social Media flauen momentan etwas ab. Dahinter steht die Sorge, dass aus den privaten bis intimen Daten, die wir auf solchen Plattformen hinterlassen, irgendwer mal etwas herausließt, das uns ganz individuell zum Nachteil gereichen könnte. Dabei hat die Datensammelei auch positive Auswirkungen: Facebook betreibt international Glücksforschung.
Für Glück gibt es viele Definitionen und der reine Lebensstandard hat wenig mit individuellem Glück zu tun, sonst würden Länder wie die USA im „Happy Planet Index“ nicht so dicht bei Russland oder bettelarmen zentralafrikanischen Staaten liegen, während die Menschen zum Beispiel in der Karibik und in Indonesien besonders glücklich sind. Alles eine Frage des Wetters?
Die Glücksforschung beschäftigt sich unter anderem mit soziologischen und psychologischen Fragen, aber auch mit Hirnchemie. Wie man Glück jedoch messen will, ist nicht nur deshalb eine schwierige Frage, weil der Glücksbegriff offenbar stark damit zusammen hängt, was Menschen vom Leben erwarten, sondern weil es auch schwierig ist, eine hinreichend große Zahl von Probanden über längere Zeiträume zu beobachten und deren Glücksempfinden zum Beispiel über Fragebögen einzuschätzen.
Genau aus diesem Grund sind Social-Media-Plattformen – allen voran Facebook – auch als gigantisches Experiment zu betrachten. Natürlich können Daten, die über Facebook erhoben werden, im Weltmaßstab gar nicht repräsentativ sein, mögen aber für Länder mit hinreichend hohem Anteil von Facebook-Nutzern trotzdem Aufschluss liefern. Man erwartet natürlich nicht, persönliches Glück zu erkennen, errechnet aber für mittlerweile 18 Länder ein „Bruttonationalglück“.
Facebook wertet die Statusupdates seiner Mitglieder in anonymisierter Form aus. Ein Team von Soziologen hat dafür einen Katalog von Wörtern erstellt und diese verschiedenen Stimmungen zugeordnet. Das gehäufte Auftreten besonders positiver oder negativer Wendungen dient als Indikator für die Stimmung unter den betreffenden Facebook-Mitgliedern.
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Ein Ranking wird wegen der schwierigen Vergleichbarkeit der Kulturen nicht aufgestellt. Trotzdem konnten die Algorithmen von Facebook ein paar interessante Effekte messen. So ist zum Beispiel der „Glückspegel“ in der Bevölkerung der USA mit der Wahl von Obama angestiegen. Besonders glücklich sind die Menschen überall auf der Welt an Feiertagen: in Deutschland vor allem an Silvester, gefolgt von Weihnachten und Ostern. Dass gerade zu solchen Zeiten viele Menschen Krisen durchleben und depressiv sind, muss dabei kein Widerspruch sein: Ich vermute, sie reagieren einfach auf den höheren „Glückspegel“ ihrer Umgebung.
Ebenso aufschlussreich ist es, wenn die Stimmungsäußerungen mit anderen Werten wie zum Beispiel dem Beziehungsstatus verknüpft werden. So sind nicht etwa Singles besonders unglücklich, sondern Menschen, die in einer offenen Beziehung leben, vor allem Männer. „Emotionales Erwachsensein“, oder wie man immer das nennen möge, scheint sich eben doch mit Denkmustern zu beißen, die tief in uns verankert sind.
Bei der ganzen Glücksforscherei geht es aber nicht nur im wissenschaftliche Erkenntnis oder eventuell politische Dimensionen, sondern schlicht um Geld und Marketing. Firmen interessieren sich nicht nur dafür, wie Käufer ihre Produkte in Foren bewerten, sondern auch, mit welcher emotionalen Qualität, um daraus abzuleiten, wie sie die Konsumenten am besten glücklich machen könnten. Oder süchtig, wenn iPhone, BMW und auch der Actimel-Youghurt immer mehr auf Happy-Pille getrimmt werden.
[via Handelsblatt]