Piratenpartei verflüssigt die Demokratie
17. Mai 2010 - Enno Park
Immer wieder ärgern wir uns, wie “die da oben” entscheiden und gleichzeitig gehen immer weniger Menschen wählen, während Volksabstimmungen wie in der Schweiz oft Gefahr laufen, von (Rechts-)Populisten übernommen zu werden. Als Antwort darauf entstand die Idee der Liquid Democracy. Grundgedanke ist, dass wir selber entscheiden können, worüber wir persönlich abstimmen, und bei welchen Themen wir unsere Stimme an einen Abgeordneten unseres Vertrauens delegieren. Auf ihrem Bundesparteitag in Bingen beschloss die Piratenpartei die bundesweite Einführung von Liquid Feedback, ein webbasiertes System für Liquid Democracy dient.
Nachdem das System bereits in einigen Bundesländern erprobt wurde, werden in einigen Wochen bundesweit alle Parteimitglieder einen Account erhalten. Jedes einzelne Parteimitglied kann einen politische Idee formulieren und als Antrag ins System eingeben, worauf eine Diskussionsphase beginnt, in der auch abgewandelte Versionen des Antrages entstehen können. Findet sich eine Mindestzahl von Unterstützern, wird der Antrag zur Wahl gestellt. Alle Mitglieder sind aufgerufen abzustimmen. Nehmen genügend Mitglieder an der Abstimmung, die über einen längeren Zeitraum stattfindet, teil und erhält der Antrag die Mehrheit der Stimmen, gilt er als von der Partei beschlossen.
Das erhöht das Tempo, mit dem die Partei agieren und reagieren kann. Sie ist nicht mehr darauf angewiesen, mit Beschlüssen auf den nächsten Parteitag zu warten. Eher findet findet eine Art permanenter Parteitag im Internet statt. Allerdings hat niemand hat Lust, Zeit oder überhaupt die Kompetenz, ständig an irgendwelchen Abstimmungen teil zu nehmen. Deshalb kann man seine Stimme delegieren. Man wählt nicht mehr einen einzigen Vertreter für den ganzen Parteitag, sondern überträgt seine Stimme an andere Einzelpersonen, denen man traut, und stimmt nur noch in den Gebieten selber ab, die einen wirklich interessieren, wofür man unter Umständen selber die Stimmen anderer Mitglieder erhält.
Vorläufig ist das System noch experimentell. Liquid Feedback wurde für Parteien und ähnliche Organisationen entwickelt und ist nicht für wichtige Wahlen geeignet, da keine geheime Abstimmung möglich ist. Stattdessen muss jederzeit nachvollzogen werden können, wer wie abgestimmt hat, um Wahlmanipulation zu verhindern. Bundestagswahlen werden also noch sehr lange Zeit so stattfinden, wie wir es kennen. Die Vision für die ferne Zukunft ist, dass wir eines Tages entscheiden können, ob wir in bestimmten Fragen persönlich abstimmen wollen wie in der Schweiz oder unsere Stimme unserem gewählten Abgeordneten überlassen.
Das klingt nach einem wirklich interessanten Tool. Es lässt sich auf diese evtl. vermeiden, dass die Diskussion vorteilbehaftet ist. Schließlich sind im Netz erst mal alle gleich. Doch das Problem an diesem System sehe ich darin, dass manche Menschen sich besser verbal als schriftlich artikulieren können, wobei andere besser schreiben als reden können.
Zudem kann eine lebhafte und hitzige Diskussion von Angesicht zu Angesicht zu ganz neuen spontanen Schlüssen führen.
Wenn man beide Optionen parallel einsetzen würde, wäre es eine zukunftsreife Lösung.
Mehr Basisdemokratie ? Pah, ich denke es ist immer noch besser wenn Politik von professionellen Politikern gemacht wird und nicht indem Hinz und Kunz über dinge Abstimmen von denen sie nichts verstehen.
[...] Dieser Eintrag wurde auf Twitter von spand. havelpiraten, Andreas Floemer und Urban Thinking, YuccaTree Post erwähnt. YuccaTree Post sagte: Piratenpartei verflüssigt die Demokratie http://bit.ly/ccu7ba [...]
@Andreas gibt aber genauso Leute, die es aus den verschiedensten Gründen nicht schaffen, sich in verbale Diskussionen einzubringen. Da dominierenden dann auch immer dieselben Alpha-Tiere.
@BWL Student: Du hast das Prinzip nicht verstanden: Du stimmt ab, worüber du glaubst, Ahnung zu haben und wählst Experten, die über Dinge abstimmen, von denen du keine Ahnung hast. “Professionelle Politiker” sind halt nur Experten für Politik, aber keine für die Fachgebiete, über die sie zu entscheiden haben und müssen sich dann von Experten beraten lassen, die aber oft eher Lobbyisten als Experten sind…
[...] /2010/05/piratenpartei-verflussigt-die-demokratie/ [...]
@BWL Student
Dein Name ist Programm, oder? Ich jedenfalls verstehe deinen Beitrag als gut getarnte Ironie. ;-)
[...] der Tat: Das Konzept der flüssigen Demokratie ist geeignet, die Fehler der parlamentarischen Demokratie zu mildern, ohne sich ins K.O.-System [...]