Netzsperren ade: Neue Familienministerin Schröder will auf Netzgemeinde zugehen
26. Februar 2010 - Jürgen Vielmeier

Obamarin: Familienministerin Kristina Schröder (CDU) hat in einem bemerkenswerten Interview auf Spiegel Online versprochen, die kürzlich verabschiedeten Netzsperren nicht anzuwenden. Problematische Inhalte sollten lieber gelöscht werden. Anders als ihre Vorgängering Ursula von der Leyen will Schröder auf die Internetgemeinde zugehen.
In dem Interview distanzierte sich Schröder auf elegante Art von der Politik ihrer Vorgängerin, indem sie beiden Seiten Versäumnisse attestiert. Während von der Leyen alle Warnungen aus dem Netz in den Wind schlug, verglichen Gegner der Netzsperren – – die Bundesregierung mit autoritären Systemen:
Ein Problem der Debatte waren doch bisher die gegenseitigen Angriffe. Die einen unterstellten gelegentlich, dass die Netzsperrenkritiker kein Problem mit Kinderpornografie hätten. Das war eine miese Unterstellung. Auf der anderen Seite hieß es, die Befürworter wollten eine Zensur wie in China oder der DDR. Das war ebenfalls mies.
Auf die Frage, was von der Leyen falsch gemacht hätte, antwortet Schröder:
Ihr Anliegen war hundertprozentig richtig, wir müssen etwas gegen Kinderpornografie tun. Der Schutz von Kindern hat oberste Priorität – online wie offline. Aber vielleicht hat die Debatte auf allen Seiten daran gekrankt, dass sehr schnell Feindbilder entwickelt wurden. Die Akteure haben einfach zu wenig miteinander geredet.
Ich denke, das ist das Maximum, mit dem man sich von einer Parteifreundin distanzieren kann ohne sie sich als Gegnerin zu machen. Wenn Schröder zu dem steht, was sie sagt, wäre die höchst umstrittene Sperrung von Webseiten vom Tisch.
Politik der Unumstößlichkeit?
Ich finde dabei aber vor allem das politische Signal sehr interessant: Auf der einen Seite eine Frau von der Leyen, die irgendwann gemerkt haben muss, dass ihr Gesetzesentwurf Schwächen hat. Trotzdem und trotz all der Warnungen von Verbänden und Netzsperren-Gegnern, wollte sie ihre Idee durchpeitschen, Webseiten mit kinderpornografischem Inhalt zu blockieren, statt sie zu löschen. Dabei nahm sie eine massive Zensur großer Teile des Internets billigend in Kauf.
Warum nur? Hätte ein Einlenken ihrer Glaubwürdigkeit geschadet? Darf man in der Politik keinen Schritt zurück gehen? Warum darf man das nicht? Darf man nicht auch dort mal zugeben, wenn man sich geirrt hat? Wäre das nicht besser gewesen, als eine krude Idee ohne Rücksicht auf Verluste durchzupeitschen?
Einfach mal das Richtige tun
Und nun auf der anderen Seite eine erst 32-jährige Ministerin, internetaffin, dialogbereit. In dem Interview kündigt sie an, dass sie mit Vertretern des Chaos Computer Club (CCC) und Netzpolitik.org sprechen will. Markus Beckedahl von Netzpolitik.org freut sich darauf. Dass Schröder auch noch Twitter und Facebook nutzt und davon in dem Interview spricht, dürften sehr mies gelaunte Zeitgenossen ihr als Populismus und Anbiederung an die “Internetgemeinde” auslegen.
Und wenn schon!
Politik, die einen Weg geht, der ganz offensichtlich der richtige und zum Wohl der Menschen ist: Warum, zum Teufel, ist das etwas Besonderes geworden! Manchmal, so scheint es, braucht es erst ein neues Gesicht, damit sich etwas ändert. Schade, dass es in der Politik so schwer möglich ist – oder an mangelndem Willen scheitert – das Richtige zu tun .
Ich finde es trotzdem etwas nervend, dass das Gesetz fertig ist und unterschrieben wurde. Jetzt muss man sich auf die Versprechen der Politiker verlassen, dass es so nicht angewandt wird und ein Dialog mit der Internetgemeinde geführt werden soll. Das hört sich alles so außerirdisch an und als ob das Gesetz zum erstbesten Zeitpunkt trotzdem angewandt wird. Wozu gibt es denn schließlich Gesetze?