“Nun ja, Apple hat doch gesagt, da würde was Großes kommen…”
Ich muss es zugeben: Der Vorwurf, Journalisten hätten mit der Berichterstattung über das iPad kostenlos Werbung für Apple gemacht, ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Ein Bericht der NDR-Sendung “Zapp” kritisiert vor allem übertriebene Maßnahmen wie Live-Ticker, und Stephan Russ-Mohl von Carta findet, die Thematisierung bishin in Feuilleton-Ressorts gehe zu weit.
Gleich vorweg: Ich finde den aktuellen “Zapp”-Beitrag “Kostenlos-Werbung für Apple” von Anne Ruprecht und Daniel Bröckerhoff übertrieben. Ich denke, man hat von hier aus einen ziemlich guten Überblick, was die Technikpresse so “seriös” journalistet und bloggt. Und das Medienecho auf das iPad war keineswegs so positiv, wie Zapp es darstellt. Ich habe eher den gegenteiligen Eindruck: die Mehrheit der Technikexperten ist von den Eigenschaften des iPads enttäuscht oder leidlich zufrieden.
IT-Journalismus funktioniert anders als Politikjournalismus
Davon abgesehen geht es im IT- und Technikjournalismus nun einmal primär um neue Software und Produkte und damit um Firmen – ganz anders als im Politik- und Kulturteil einer Zeitung.
Was Stephan Russ-Mohl von Carta kritisiert, ist vor allem, wie Journalisten bereitwillig im Vorfeld, während und nach der Produktpräsentation über das iPad geschrieben haben. Apple spart damit in der Tat Geld für Werbung dank geschickter Öffentlichkeitsarbeit.
Beide Kritiker, Zapp und Carta, erwähnen allerdings nicht, dass es in den vergangenen Monaten einen kaum geringeren Hype um Produkte anderer Hersteller gab: das Google Nexus One, das Palm Pre, Windows 7 – genau genommen jedes noch so kleine Fisselchen, das Facebook an seinem Lifestream verändert. Wenn man etwas kritisieren will, dann dass aus jeder Mücke inzwischen ein Elefant berichtet wird.
Apple-Events sind öffentliches Interesse
Das wiederum tun Technikmagazine und -blogs, um Sie – geschätzte Leser – bei sich zu halten, da Sie sonst nun einmal nicht zum Lesen vorbeikommen und das Geschäft beeinträchtigen. Dann sollte es Bloggern und “seriösen Journalisten” weniger ums Geschäft gehen, sagen Sie? Schöne Vorstellung! Ich werde meinen Bankberater anrufen und ihm sagen, dass Sie künftig meine Miete zahlen… :)
Klar könnte man sich auch am Tag nach einer Apple-Produktpräsentation Pressemeldungen über das iPad besorgen und daraus eine Meldung stricken. Aber wer bitte würde das lesen wollen? Sie nicht, ich nicht und der Rest der Leser auch nicht.
Es besteht gewissermaßen ein öffentliches Interesse, über Apple-Events zu berichten. Und deswegen berichtet jeder mit und nach, übrigens auch Carta. ;)
Journalismus macht für sämtliche Dinge kostenlos Werbung, über die er berichtet. Das ist der Vorteil guter, spektakulärer neuer Produkte: Sie kriegen entsprechend mehr “kostenlose Werbung” durch die Medien. Wenn die große Beachtung wie im Falle iPad so allgemein durch sämtliche Medien geht, scheint wohl was dran zu sein an der spektakulären neuen Qualität des Geräts.
Wie soll denn “da was dran sein” wenn niemand vorher wusste was dieses iPad überhaupt ist? Die technischen Daten wurden nicht bekannt gegeben. Und trotzdem wurde im Vorfeld bereits ein Hype erzeugt, der nahezu alles übersteigt was mir bisher in dieser Disziplin bekannt war.
Einerseits hab ich mich beim Ansehen von Zapp diese Woche auch gefragt, was die Aufregung soll. In der Tat wird um einige Produkte ein Hype erzeugt.
Der Unterschied ist aber, wie sehr beim iPad die Massenmedien beim Rummel mitgemacht haben.
Das Blogs und Fachmagazine das zum großen Thema erklären, ist ja was ganz anderes. Und wurde – so hab ich den Beitrag in Erinnerung – auch nicht kritisiert.
Und in den Massenmedien war – so nun mein subjektiver Eindruck – allgemein sehr positiv, was über das iPad berichtet wurde. Im Internet gab und gibt es dagegen sehr viele kritische Meinungen zum neuen Wunderding von Apple.
Kurz gesagt: Das war schon ein Thema für Zapp.
@Tiefseetaucher: Da möchte ich widersprechen. Journalismus ist keine kostenlose Werbung für Produkte, über die er berichtet. Ein positiver Bericht kann eine sehr positive Wirkung auf den Absatz haben, in erster Linie informiert er jedoch im Interesse der Leser/Zuschauer etc.
So, wie über das iPad in den Massenmedien oft berichtet wurde, hatte das mit echtem Journalismus kaum noch etwas zu tun, zumindest mit gutem Journalismus. So einseitig euphorisch sind meist nicht einmal gekaufte (und damit unerlaubte) Beiträge.
“Spektakuläre Qualität”?! Äh, damit möchtest Du provozieren, oder? ;-) Das meinst Du nicht ernst!
Lieber Jürgen,
hab Dein Posting zu unserem Beitrag gerade erst gesehen, daher die später Reaktion. Erstmal vielen Dank für das Feedback, Kritik ist immer gut. :-)
Auf der einen Seite gebe ich Dir Recht, Techblogs und Co leben von der Berichterstattung über neue Produkte und das ist auch okay so (solange sie sich nicht kaufen lassen).
Was uns jedoch erstaunt hat, ist die Berichterstattung in den sogenannten Mainstream-Medien. Meines Wissens nach haben sich FAZ, FAS, BILD, BAMS, WELT, SZ und Co weder in großen (teilweise doppelseitigen) Artikeln noch sonstigen Beiträgen über Nexus, Pre etc gekümmert. Das war schon sehr einmalig, was da passiert ist. Zur Erinnerung: Kurz vorher hat Ballmer ebenfalls ein Tablet vorgestellt. Resonanz: Gegen Null.
Es stimmt, die meisten Technjornos waren nicht sehr begeistert (inkl. mir). Aber im Mainstream kam diese Kritik gar nicht (BILD & BAMS) oder nur wenig vor. Teilweise haben Journalisten wie Herr Schirrmacher gleich das Ende des freien Internets verkündet. Wegen eines Tablets!
Kein Mensch möchte, dass sich die Redaktionen nur noch aus Pressemeldungen bedienen. Aber etwas Verhältnismäßigkeit wäre dann doch wünschenswert.
Liebe Grüße,
Daniel