Identität im Netz: Ich kenn dich nicht, aber ich vertraue dir

Im Internet ist es so eine Sache mit den Identitäten. Unendliche Möglichkeiten sich zu verstecken, kaum Möglichkeiten Angaben zu verifizieren. Teilweise ist es fast unmöglich überhaupt herauszufinden, ob eine Anfrage von Mensch oder Maschine stammt. Deswegen fallen wir auf die meisten Angebote nicht herein – während wir manch Unbekanntem blind vertrauen.

Klar, die Mail von sexy Svetlana, die ein Foto schickt weil sie einen lieben Mann aus Deutschland sucht, die erkennen wir sofort als gefälscht. Genauso wie die Anfrage, die jemanden sucht für einen kurzen Geldtransfer und dafür tausende Euros verspricht.

Mädchenprofil frei erfunden – mehrere hundert Freunde

Vor ein paar Monaten war ich auf einem Seminar zum Thema “Jugendliche und die Gefahren des Internets”. Dort wurde gewarnt vor falschen Freunden auf Facebook und Co. Darauf hingewiesen, dass man nur Leute als Freunde hinzufügen sollte, die man auch wirklich kennt.

Naiv erwachsen wie ich bin, denke ich mir: “Warum sollte man auch jemand Unbekanntes hinzufügen? Der kann ja dann alles von einem lesen.”

Und dann zeigten mir die Referenten ein Facebook-Profil eines Mädchens mit hunderten von Online-Freunden. Dabei hatten sie dieses Mädchen erfunden. Ihre Facebook-Freunde haben hier also nicht an ihrer Identität gezweifelt.

In diesem Moment wurde mir klar, dass ich völlig naiv einsortiere: private Anfragen im Internet beleuchte ich grundsätzlich skeptisch. Sieht der wirklich so aus wie auf dem Foto? Welche der Angaben stimmen? Warum findet man zu dem Namen sonst keine Informationen?

Amazon
Website von Amazon.de. Per se vertrauenswürdiger als “Internetshop365.de”?

Ein Xing-Profil lügt nicht

Wenn es um Berufliches geht, dann bin ich absolut vertrauensselig. Und offensichtlich nicht nur ich, sondern viele Menschen. Ich habe mehr als einen Auftrag komplett per E-Mail abgewickelt – vom Erstkontakt über die Budgetverhandlungen bis hin zum Abschluss. Wir haben nie telefoniert, uns nie getroffen und nie verifiziert ob es die Firma hinter dem Namen überhaupt gibt.

Zur Zeit arbeitet ein Grafiker für mich. Ich habe seine Webseite gesehen und er meine. Ich habe ihm eine E-Mail geschrieben, nach seinem Stundensatz gefragt und ihn im Anschluss beauftragt. Er hat gearbeitet, mir die Ergebnisse per E-Mail zugeschickt.

Woher hat er die Sicherheit, dass ich ihn bezahle? Alles was er von mir hat ist eine E-Mail-Adresse. Da steht zwar eine Telefonnummer drin, aber angerufen hat er die nie. Eine Webseite ist schnell im Netz und genauso schnell wieder draußen. Ich könnte sonstwer sonstwo sein. Hab seine Leistung bereits erhalten. Genauso hat man aber auch mich schon beauftragt ohne irgendetwas von meinem Internet-Erscheinungsbild zu prüfen.

Eine seriöse Webseite reicht mir als Beweis für Existenz und Vertrauenswürdigkeit

Und das ist nicht nur bei Menschen so: Webseitenbetreiber bekommen mein Vertrauen oder auch nicht. Und das ist nicht davon abhängig ob ich persönlichen Kontakt mit ihnen hatte oder irgendwelche Belege dafür hätte, dass sie seriös sind. Amazon darf all meine Daten haben. Directshop24 oder ähnliches würde niemals eine Postadresse oder ein Geburtsdatum bekommen.

Für mich hängt der Unterschied hier an 3 Punkten:

  1. Wie groß und bekannt ist das Unternehmen/die Webseite? Wer Fernsehwerbung macht, hat einen Vertrauensvorschuss. Denn irgendwie wäre das dann wohl schon ans Licht gekommen wenn die unseriös werden. Bestimmt. Hoffentlich…
  2. Wie seriös klingt für mich der Name? Kunstworte wie Buzzler oder Naheliegendes wie Buch.de finde ich seriös. “DVDshop24″ oder “fernseher-billiger” hingegen nicht.
  3. Wie gut ist die Webseite? Jemand, der seriös ist, der hat irgendwie auch Erfolg. Und dann hat er Geld für eine gute Webseite. Wenn ich sehe, dass die Webseite mit irgendeinem Homepage-für-Laien-Programm gemacht wurde, oder der Webdesigner offensichtlich im Haus wohnt und minderjährig ist oder es sich hier um eine altbekannte Designvorlage handelt, dann vertraue ich dem Shop/der Webseite nicht. Wer gut ist, hat Erfolg, und der hat auch ne gute Webseite. Wer sich so billig präsentiert, der ist nur auf schnelles Geld aus.

Vielleicht wäre ein bisschen mehr Misstrauen im Netz nicht verkehrt. In sozialen Netzwerken genauso wie bei Shops oder Registrierungsdiensten. Woher wisst ihr, ob ihr einer Webseite, die eure Daten will, vertrauen könnt oder wollt?


 
 
 
 

3 Kommentare zu “Identität im Netz: Ich kenn dich nicht, aber ich vertraue dir”

  1. Thorsten Meigner - 4. Februar 2010 um 12:58

    Bei Punkt 1 musste ich spontan an die Fernsehwerbung denken, wo man sein Gold per Post an diesen Internethändler (Name vergsssen) schicken soll. Das klingt VERDAMMT seriös. ;) Aber ansonsten gebe ich dir Recht: Wir halten es eher für Gold, wenn es glänzt.

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