29. Juli 2009 - Jürgen Vielmeier

Was denken, lieben, hassen, glauben, fühlen und wünschen sich Menschen, wenn sie nur 140 Zeichen Platz haben? Twistori hat die Antwort(en) darauf: Das Tool, das eigentlich ein Screensaver ist, holt sich alle Tweets zu einem Thema und lässt sie in Echtzeit über den Bildschirm laufen. Das wirkt rastlos, schnelllebig und irgendwie – inspirierend.
Der Absender dieser Nachricht ist unbekannt:
“Ich glaube, er hat mich Jim genannt. Oder Jane. Mein Name ist aber weder Jim noch Jane”.
Er könnte in Amerika sitzen oder in Australien. Und kaum gelesen, da ist die Nachricht auch schon unter dem oberen Bildschirmrand verschwunden. Im Sekundentakt kommen neue herein. Darunter:
“Ich glaube, es täte gut, wenn jeder bei dem bliebe, was er gut kann. Warum glauben alle Leute aus dem Marketing, sie wären Designer? Aaaaarrrrggghhhh!”
Oft kann man nur ahnen, was die Verfasser der Meldungen genau meinen. Vieles kommt einem aber erstaunlich bekannt vor:
“Heute während der Vorlesung hat jemand hinter mir in der Reihe gezählt, wie oft der Prof “ähm” und “öhm” gesagt hat. Ich glaube, am Ende waren es 220 in 50 Minuten.”
Gesprächsfetzen von Menschen, die man nie wieder sieht
Twistori bedient sich bei Twitter und lässt die Meldungen zu einem Thema in Echtzeit über den Bildschirm laufen. Um eine Meldung zu lesen, hat man kaum zehn Sekunden Zeit. Man erfährt nicht, von wem sie stammen und kann auch nicht auf sie klicken, um etwas über den Verfasser in Erfahrung zu bringen. Man fühlt sich wie auf dem New Yorker Time Square unter Millionen von Menschen, von denen man nur Gesprächsfetzen aufnimmt, und die man danach nie wieder sieht.
Twistori schafft es, das Großstadtleben auf einer Art Teleprompter darzustellen. Das ist genauso anstrengend wie faszinierend. Ich würde gerne mehr darüber schreiben, aber schon sind fünf weitere Twitter-Mashups auf meinem Schirm – und Twistori verschwindet unter dem oberen Bildschirmrand …