Als käme der Erlöser: Notebook-Hersteller fallen Google in die Arme und wollen das Betriebssystem Chrome OS auf ihren Geräten ausliefern. Ist es erst einmal so weit, könnte Microsoft wirklich einige Marktanteile bei Kleinrechnern verlieren. Viel mehr als das aber auch erst einmal nicht.

Hardwarehersteller stehen hinter Google

Verfolgt man die Nachrichten der letzten zwei Tage, fällt auf: Die US-Technikblogs sind voll von himmelhoch jauchzenden Meldungen über das bisher eigentlich nur geplante Google-Betriebssystem Chrome OS. Bis auf Spiegel Online-Netzwelt halten sich die deutschen Blogs vornehm zurück. Vielleicht ganz einfach deswegen, weil der Browser Chrome, der vor einem Jahr vorgestellt wurde, noch nicht die versprochene Weltrevolution gebracht hat. Ein guter Browser, ein dazu – mehr aber auch nicht. Chrome ist keinesfalls fehlerfrei und hat weiterhin einen verschwindend geringem Marktanteil im Vergleich zum Internet Explorer von Microsoft. Warum sollte das bei einem Betriebssystem anders sein?

Vielleicht weil diesmal die Techniklobby hinter Google steht. Wie das Internetunternehmen gestern bekannt gab, wollen Acer und Asus das Chrome OS unterstützen, die beiden größten Netbook-Hersteller. Mit Hewlett-Packard und Lenovo außerdem zwei der größten Laptop-Hersteller der Welt. Daneben will Google eng mit Chipherstellern wie Freescale, Qualcomm und Texas Instruments zusammen arbeiten. Chrome wird nicht nur quelloffen sein, sondern auch kostenlos.

Chrome Shorts

Noch viele Fragen offen

Außerdem will Google mit dem Softwarehersteller Adobe eng zusammen arbeiten. Das könnte zumindest einige meiner ein wenig zerstreuen, dass es Software wie Photoshop nicht auch in einer guten Browserversion gibt. Vorausgesetzt natürlich, Adobe kann sie rechtzeitig fertigstellen.

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Trotzdem bleiben noch viele Fragen offen: Was ist mit anderer Software, die es bisher nicht als Browser-Version gibt, zum Beispiel Videoschnitt, Software für die Einkommensteuer-Erklärung, Entwicklungsumgebungen? Was ist mit Anschlüssen und Treiber-Unterstützung für Drucker, Scanner, Digitalkameras? Was ist mit Filemanagern für Dateien wie Fotos, die erst einmal lokal gespeichert werden müssen, bevor man sie bearbeiten kann?

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Darf Google das System überhaupt mit nur einem Browser koppeln?

Und noch eine ganz andere Frage kommt auf, die sich Sarah Perez von ReadWriteWeb stellt: Wenn Chrome OS nur mit Chrome laufen wird, verstößt Google damit dann nicht ebenso wie Microsoft gegen die Auflagen der EU, das Betriebssystem nicht fest mit einem Browser zu koppeln? Wird das Chrome OS denn auch mit Firefox, Safari oder gar dem Internet Explorer laufen, vielleicht sogar laufen müssen? Das wird noch zu klären sein.

Update, 11:44 Uhr: Wie uns viele von euch in Kommentaren und auf Twitter geschrieben haben, wäre Google nicht an die gleichen Auflagen wie Microsoft gebunden, weil im Falle des Chrome OS keine marktbeherrschende Stellung vorliegt. Google-Sprecher Stefan Keuchel hat uns außerdem just via Twitter (!) bestätigt: “Nur um das aufzuklären: ChomeOS wird mit allen gängigen Browsern funktionieren!”. Danke dafür!

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Ich bin weiterhin genauso gespannt auf das Google OS wie skeptisch, ob es ein gleichwertiger Ersatz für vollwertige, ich sag mal: hochfahrende Betriebssysteme wie Mac OS X und Windows sein kann. Noch gibt es von Chrome OS keine Screenshots, noch nicht einmal einen Prototypen. Allein die Treiber-Unterstützung für moderne Laptops – und ältere, externe Hardware! – wird den Entwicklern noch einiges abverlangen. Es gibt nichts außer der strategisch clever platzierten Ankündigung kurz vor dem Start von Windows 7. Google muss jetzt erst einmal entwickeln und den Versprechen Taten folgen lassen.


 
 
 

6 Kommentare zu “Googles Betriebssystem: Viel Euphorie, viele offene Fragen (Update)”

  1. Arno - 9. Juli 2009 um 11:30

    Microsoft darf seinen Browser nicht mit dem Betriebssystem koppeln, da sie damit ihre marktbeherrschende Stellung auf dem Betriebssystem Markt nutzen, um auf dem Browsermarkt ebenfalls eine marktbeherrschende Stellung aufzubauen. Google wird man das kaum vorwerfen können, da Chrome einen verschwindend geringen Marktanteil hat.

  2. Philip May - 9. Juli 2009 um 12:02

    > Nur um das aufzuklären: ChomeOS wird mit allen gängigen Browsern
    > funktionieren!
    Das kann ich mir kaum vorstellen.
    Chrome OS wird vermutlich auf einem Linux Kernel basieren und ein eigenes Window System haben. Safari aber läuft noch nicht mal unter Linux. Wie soll es dann unter Chrome laufen? Auch der IE wird wohl kaum unter Chrome laufen.

  3. Daniel WF - 9. Juli 2009 um 12:30

    ChromeOS ist nur noch eine weitere Linux-Distribution. Ich vermute mal, daß sie sogar das Debian-System verwenden werden. Hierfür gibt es bereits massig Treiber (wenn nicht sogar für alle Geräte) und Software gibts auch massig (Zur Not kann man einen Großteil von Windows-Anwendungen mit WINE starten).

    Google wird wahrscheinlich einfach ‘nen anderen Fenstermanager integrieren und gut ist.
    Ich persönlich bevorzuge ohnehin Gnome, aber ich könnte mir gut vorstellen, daß sie XFCE oder blackbox als Grundlage nehmen.

    Also eigentlich alles ein alter Hut, um den da jetzt ein Wirbel gemacht wird.

    Sollte jemand wirklich ernsthaftes Interesse an einem gut funktionierden Linux-System haben, empfehle ich ihm Ubuntu (http://ubuntuusers.de/)
    Sollte jemand ein gutes System für sein Netbook suchen, sollte er sich mal Ubuntu EEE anschauen ( http://www.geteasypeasy.com )

    Also in Wirklichkeit ist das alles schon ein alter Hut.

    Der Witz an dem ganzen ist ja aber ohnehin, daß Google den Chrome-Browser bisher noch nicht einmal für Linux anbietet..

  4. Tom - 9. Juli 2009 um 12:34

    @Philip: Sie meinten also damit vermutlich Firefox ;-)

    Im Ernst: natürlich kann dann jeder Browser-Hersteller seinen Browser auch für dieses Betriebssystem entwickeln (wenn man Safari auf Windows zum Laufen kriegt, dann sollte auf einem anderen Unix-basierten Betriebssystem eh kein Problem sein)…

    Die Frage ist eher, wie viele Leute das dann machen (Freaks und Fans natürlich), aber der normalsterbliche User? Der verwendet halt den Browser, der standardmässig drauf ist… erst recht, wenn andere nicht ganz so doll / schnell drauf laufen. Oder?

  5. René Fischer - 9. Juli 2009 um 17:20

    Zumindest die Steuererklärung kannst du via http://www.steuerfuchs.de schon länger im Browser machen. Und alles andere wird es früher oder später geben ;-) Und was so komplexe Sachen wie Videoschnitt-Software angeht: Warum nicht lokal installieren? Ist doch ein Linux(-Derivat).

  6. René Fischer - 9. Juli 2009 um 17:21

    @Phillip May: Wine existiert. Google ist fit im Aufboren von Wine. Picasa für Linux ist nichts als die Windows Version mit ein bisschen Wine verkompiliert.

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