Monatsarchiv für Dezember 2008

 
 

Pünktlich zur Finanzkrise, die sich anschickt in einer weltweite Rezession zu münden, steht eine zur ersten Dotcom-Blase entstandene (und zwischenzeitlich unwürdig geparkte) Seite wieder auf: DotComTod.com. Die legendäre Adresse berichtete seinerzeit über aktuelle Web-Insolvenzen und zeigte sich ausgezeichnet darüber informiert, bei welchem Start-up als nächstes die Lichter ausgingen. DotComTod in der Version 2.0 wird von Matthias Süß betrieben, einem nach eigenen Angaben Blogger und beratenden SEO mit langjähriger Erfahrung. Sein gewählter Claim „Geschichte wiederholt sich manchmal“ klingt viel versprechend; es bleibt aber abzuwarten, ob Süß an den Erfolg der Vorgänger Lanu und Don Alphonso anknüpfen kann. Die beiden klingen jedenfalls nicht allzu erfreut über die Wiederauferstehung des Blogs. Wir sind trotzdem gespannt, was Süß daraus macht.

DotComTod 2.0, Matthias Süß (Interview), Meedia-Blog

Im nächsten Jahr wollen Jack Dorsey, Biz Stone und Evan Williams es endlich offenbaren, ihr lange ersehntes, sagenumwobenes Geschäftsmodell für ihren Microblog-Dienst Twitter. Warum so geheimnisvoll, fragt sich Abbey Klaassen vom US-Werbefachmagazin “Advertising Age”, und stellt gleich zehn Möglichkeiten vor, wie der 140-Zeichen-Dienst zu Geld kommen kann. Die sicherlich erträglichste Methode: das Geschäft einfach an Google oder Facebook zu verkaufen. Klaassen hat aber auch Vorschläge, wie sich der Dienst aus eigener Kraft finanzieren könnte, zum Beispiel über einen Pro-Account oder einen Mobilfunk-Service. Wir haben noch einen elften Vorschlag: Eine Twitter-Version nur für Unternehmen, mit der sich die Mitarbeiter im Hause austauschen können.

Unsere Rubrik für das Geschehen der Woche, kurz zusammengefasst. Hier der Fang der Woche:

Freitags-Refresh:

  • Russischer Geschäftsmann will sich das Smiley-Symbol ;-) patentieren lassen, scheitert aber (zum Glück) am Widerstand der Patentbehörde.
  • Qual der Wahl: 46 Prozent der Frauen würden lieber auf Sex verzichten als auf das Internet.
  • Neuer IT-Hype Cloud Computing ausführlich erklärt von Wolfgang Herrmann.
  • Erstes Android-Handy T-Mobile G1 kommt im März auf den deutschen Markt. Sony-Ericsson kündigt ein Android-Gerät für Sommer 2009 an.
  • Versorgung ländlicher Gebiete mit Breitband-Internet gestaltet sich schwierig.
  • Nummer 4 der großen Betriebssysteme? Toshiba bringt Laptops mit OpenSolaris auf den US-Markt.

Vom Rest der Woche:

  • Jahresrückblick der Suchmaschinen: Deutsche suchen auf Google, MSN und Yahoo am häufigsten nach “Wetter”.
  • Hollywood kontra TV-Sender: Wegen eines Lizenzstreits sind einige Filme und Serien aus dem US-Angebot von iTunes und Netflix verschwunden.
  • Googles Browser “Chrome” verlässt den Beta-Status und darf damit jetzt auf Rechnern von Dell und HP vorinstalliert werden.
  • Apple opfert in Ägypten die GPS-Funktion im iPhone auf Wunsch der Regierung. Was wird Apple erst für China opfern?
  • Digitale Welt reloaded: Sony eröffnet heute den 3D-Treffpunkt “PlayStation Home”.
  • Firmen-Blogs gelten als besonders unglaubwürdig, fand Forrester in einer Umfrage heraus.
  • Bild-Zeitung und Filiago wollen breitbandlose Gemeinden mit Satelliten-DSL versorgen.
  • Sony-Ericsson, Vodafone und zwölf weitere Mobilfunk-Unternehmen treten Googles Open Handset Alliance (“Android”) bei.
  • Navi-Hersteller TomTom ermittelt für einen neuen Staumelder aktuelle Daten unter anderem von Vodafone-Handys.

Neue Herausforderung für die Musikindustrie: Der Dienst Bopaboo bietet seit diesen Tagen einen Marktplatz für gebrauchte MP3s an. Nutzer können Stücke aus ihrer Musiksammlung dort anbieten, die sie einmal gekauft haben, aber jetzt nicht mehr hören wollen. Die Nutzer können jedes Stück aber nur einmal anbieten und verpflichten sich laut Bopaboos Geschäftsbedingungen dazu, die Datei nach dem Verkauf auf ihrem Rechner zu löschen. Das kann freilich ebenso wenig überprüft werden wie die Herkunft der MP3s.

Der Deutsche an sich ist höchst unpatriotisch. Es sei denn, er guckt Fußball, liest die Wirtschaftsnachrichten – oder wird schon wieder von den bösen Chinesen abgehängt. Erst überholt uns die chinesische Volkswirtschaft, dann die Breitbandindustrie – und jetzt haben sie auch noch mehr Internetadressen. Die Folge: .de ist nicht mehr Weltmeister der Länderkennungen im Internet. Chinas .cn hat uns auch hier überholt, meldet VeriSign im aktuellen Domain Name Industry Brief für Dezember. Deutschland (.de) liegt darin jetzt nur noch auf Platz 2. Ist das tragisch?

In Island Aussault starten Sie als Herrscher einer kleinen Insel. Zu Beginn stehen Ihnen einige Ressourcen und Gebäude zu Verfügung, die Ihre anfängliche Versorgung garantieren. Ihre Aufgabe ist es, die Infrastruktur Ihres Landes auszubauen und neue Technologien zu erforschen, um schließlich eine Flotte aus Schiffen, Flugzeugen und U-Booten aufzustellen. Mit dieser Armee kolonialisieren Sie dann weitere Inseln oder attackieren und bestehlen andere Nationen, die Spielern wie Ihnen gehören, was das Game noch realistischer macht und Ihnen zum Beispiel die Möglichkeit bietet, Allianzen zu formen und im Highscore-Ranking aufzusteigen. Innovativ ist, dass Sie die Regierungsform Ihres Landes wählen können – möchten Sie zum Beispiel eine Diktatur oder ist Ihnen Pazifismus lieber?

Laut Statistischem Bundesamt verfügen bundesweit 94 Prozent der Haushalte über ein TV-Gerät. Klassisches Fernsehen scheint sich also immer noch großer Beliebtheit zu erfreuen. Neu ist in vielen Haushalten auf den ersten Blick nur eines: der Wechsel von der Röhre zum Flachbildschirm. Und doch machen sich beim näheren Hinsehen Ungereimtheiten bemerkbar. Die Quote der Haushalte mit DVD-Playern stieg von 27 Prozent im Jahr 2003 auf mittlerweile 70 Prozent. Sind die Deutschen mit dem Programm doch nicht ganz zufrieden? Auch die Zahl der Handy- und Spielekonsolenbesitzer steigt rasant, und war da nicht was mit Mobile TV?

Am 16. Juni ist wieder Bloomsday. Gut, das ist jetzt noch ein Weilchen hin. Und ja, jetzt ist erst einmal Weihnachten. Aber das Entscheidende an dem Einstieg in diesen Artikel, dem Satz „Am 16. Juni ist wieder Bloomsday“, ist ja auch nicht das Datum, sondern die Tatsache, dass am Bloomsday beseelte James-Joyce-Fans durch Dublin wandern und Orte aufsuchen, an denen die Romanfiguren Leopold und Molly Bloom so banale Dinge tun wie „ein Gorgonzolabrot bei Davy Byrne verspeisen“ (Wikipedia). Und damit wäre elegant der Bogen geschlagen zum Thema des heutigen Web-2.0-Beitrags, denn ein starkes halbes Jahrhundert nach dem ersten Bloomsday begrüßen wir so etwas wie den ersten digitalen Nachahmer: den „Web-Roman mit Google Maps“ (Spiegel Online).

Worum geht’s?

Im Januar wechselt der mächtigste Mann der Welt, wie wir wissen tritt Barack Obama sein Amt als Präsident der Vereinigten Staaten an. Große Hoffnungen werden in ihn gesetzt, die Erwartungen sind so hoch, dass manche mutmaßen, er sei schon von vornherein zum Scheitern verurteilt. Mit großer Spannung wurde deshalb erwartet, als er nun einige Schlüsselelemente seines „Economy Recovery Plans“ präsentierte. Eines seiner wichtigsten Mittel gegen Wirtschaftskrise und steigende Arbeitslosigkeit ist „die Erneuerung des Information-Superhighways“: Jobs durch Breitbandinternet.

Goodbye Gutenberg? Gleich drei Meldungen zum schleichenden Niedergang der letzten Printmedien flattern uns heute auf den Tisch. Wenn das ein Trend ist, dann könnten mit Büchern und Zeitschriften die letzten Bastionen gegen den E-Book-Reader fallen.

Zum Ersten ist Google gerade nicht nur dabei, Zeitungen einzuscannen, sondern seit Neuestem auch Zeitschriften – vornehmlich ältere Ausgaben zu Archivzwecken. Zum Zweiten wird Apples iPhone immer mehr zum E-Book-Reader. Die Kategorie “Buch” im App Store hat bereits 29 Seiten, und jetzt kündigen mit Penguin und Random House zwei weitere große Buch-Verlage iPhone-Apps an – wobei es dort nicht unbedingt Bücher zu lesen gibt. Zum Dritten wird auch Nintendo DS, die beliebte Spielekonsole für unterwegs, zum E-Book-Reader. Die Japaner veröffentlichen zu Weihnachten ein Paket aus 100 Literaturklassikern von Charles Dickens bis Jane Austen. Trifft die Medienrevolution nach den Zeitungen jetzt also auch Zeitschriften und Bücher? Ein Stück weit bestimmt: Die Verlage werden sich umstellen müssen, aber wer früh dran ist und zweigleisig fährt, macht sicher alles richtig. Denn Lesen scheinen die Leute immer noch ausgiebig, Medienkrise hin oder her.