Bundestrojaner: Big Brother ist watching your PC – Geschichte eines Vertrauensverlustes

27. Februar 2008: Das Bundesverfassungsgericht verbietet jegliche Online-Durchsuchung von Computern. 8. Oktober 2011: Der CCC veröffentlicht im Zusammenspiel mit “FAZ” und “Zeit” den Bundestrojaner, der genau das tut, was das Verfassungsgericht 2008 verboten hat. Der Einsatz in immer mehr Bundesländern wird bekannt, und schließlich gibt Innenminister Friedrich zu, dass die Spionage-Software auch vom BKA eingesetzt wurde.

Am Anfang stand die “Online-Durchsuchung”. Schon der Name beschönigt, was da passiert: Während bei einer klassischen Durchsuchung die Polizei vor der Haustür steht, einen von einem Richter unterschriebenes Papier hochhält und man ihr zusehen kann, wie sie die Wohnung durchwühlt, findet eine “Online-Durchsuchung” heimlich statt, ohne dass der Überwachte etwas davon erfährt. IP-Telefonate werden genauso abgehört wie E-Mails mitgelesen. Surfen im Web oder arbeiten mit Excel – das gesamte Tun und Lassen am Computer wird aufgezeichnet und an staatliche Stellen übermittelt. Ein Keylogger zeichnet Passwörter auf und Zugangsdaten zum Homebanking. Ein Modul erlaubt späteres Nachladen weiterer Funktionen und Behörden können jederzeit Daten auf dem überwachten Rechner ablegen – auch gefälschte Beweise, ohne dass der Überwachte später eine Chance hätte, seine Unschuld zu beweisen. So etwas ist so ähnlich schon passiert. Die Überwachung per Bundestrojaner ist also in Deutschland aus gutem Grund verboten und sollte ins Reich der Dystopien gehören irgendwo zwischen “1984″, “Brazil” und “Minority Report”. Leider tut sie das nicht.

Rein rechtlich gesehen gibt es ein Schlupfloch: Die Überwachung von Telefongesprächen. In Deutschland ist das innerhalb enger grenzen legal – Stichwort “Großer Lauschangriff“. Der soll, so wünschen sich das die Ermittlungsbehörden, auch möglich sein, wenn ein Verdächtiger per Computer telefoniert, zum Beispiel mit Skype. Bezeichnet wird das ganze als “Quellen-TKÜ” und das ist der Ansatzpunkt, über das dann doch der Bundestrojaner seinen weg auf die Festplatten der Republik und schließlich zum CCC fand. Allerdings darf die Software wirklich nur genau eine Sache können – nämlich Skype-Telefonate abhören. Das ist beim Bundestrojaner nicht der Fall. Alle digital durchgeführten Abhörmaßnahmen der letzten drei Jahre waren also verfassungswidrig.

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Innenministerium und BKA dementierten erst, dass die vom CCC gefundene Software überhaupt aus staatlicher Hand stammt. Als sich dies nicht mehr leugnen ließ, behauptete Innenminister Friedrich, der Bundestrojaner sei nie auf Bundesebene eingesetzt worden. Klar war nur, dass der “Staats-, Bayern-, Euro- oder Landestrojaner”, wie das Ding jetzt hieß, in Bayern eingesetzt wurde - übrigens unter Mitverantwortung der bayrischen FDP-Chefin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Dort hat das Landgericht Landshut den Einsatz dieses Jahr verboten, weil die der Trojaner regelmäßig Screenshots vom überwachten Computer verschickt, was über ein Abhören von Skype-Telefonaten deutlich hinaus geht. Eine rechtliche Grundlage für den Einsatz des Trojaners gibt es bis heute also weder in Bayern noch in anderen Bundesländern. Das wird nicht nur in Bayern ignoriert: Die digitate Abhörwanze wird auch in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Hessen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen eingesetzt. Letzteres ist besonders krass, führte doch die in Düsseldorf 2006 gestartete “Online-Durchsuchung” zum eingangs erwähnten Urteil des Verfassungsgerichtes. Das ist aber fast schon egal, da Innenminister Friedrich heute im FAZ-Interview zugab, was er wenige Tage zurvor noch leugnete – dein Einsatz des Bundestrojaners durch das BKA und andere Bundesbehörden.

In Deutschland setzen Bundes- und Landesbehörden also widerrechtlich Software zur Überwachung und Manipulation von Computern gegen die eigenen Bürger ein. Um sie zu installieren, brechen sie in Wohnungen ein, verschicken Computerviren per Behörden-E-Mail oder “untersucht” der Zoll auf Flughäfen mal kurz einen “verdächtigen Laptop”. Nicht einmal zum Abhören von Skype-Telefonaten wäre dieser Aufwand legal – Skype arbeitet nämlich mit Ermittlungsbehörden zusammen und erlaubt das Mithören von Telefonaten. Es ist vollkommen unnötig, zu diesem Zweck, einen Trojaner auf dem Zielrechner zu installieren – LKA, BKA & Co. müssten sich nur an Skype wenden. Die Einsätze in Bayern zeigen jedoch, dass die Software mindestens auch zum Anfertigen von Screenshots benutzt wurde. Es ist offensichtlich, dass der Bundestrojaner zu keiner Zeit nur dem Mithören von Telefonaten diente. Nähme man das Grundgesetz und das Verfassungsgericht ernst – es müssten gerade eigentlich die Innenminister der meisten Bundesländer, Bundesinniminister Friedrich, BKA-Chef Ziercke sowie mehrere LKA-Chefs ihren Rücktritt bekannt geben. Dass sie das nicht tun zeigt, wie weit unsere Regierungen und Polizeibehörden sich vom Boden des Grundgesetzes entfernt haben.

Einmal mehr richten sie gewaltigen schaden an und provozieren einen weiteren Vertrauensverlust der Bürger in den Staat. Pavel Mayer, Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin, legt das ganze in der FAZ noch mal von anderer Seite aus dar.

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