Eine Lanze für Mein-Schüler-Studi-VZ: Herrlich unaufgeregte Oase der Ruhe

Mal wieder so eine Überschrift, bei der die meisten Leser sich an den Kopf fassen werden und fragen: “Ist der von allen guten Geistern verlassen? StudiVZ und Co. sind mausetot, und die ganze Action ist bei Facebook.” Stimmt. Eben deswegen ja.

Irgendwann hat es mich einfach nicht mehr interessiert, wer mich bei Facebook als Vampir gebissen hat und wo der Unterschied zwischen Neuigkeiten und Live-Meldungen ist, die beide zu 90 Prozent aus Glücksnüssen und Farmville-Benachrichtigungen bestehen. Rechts unten in dieser Taskleiste, in der brandheiße Neuigkeiten eintreffen sollen, brüstet sich ein Freund damit, heute nur zu 40 Prozent sexy zu sein. Direkt links daneben der Chat, der in den letzten Tagen eher schlecht als recht funktioniert.

Links unten gibt es Anwendungen, die mein Betriebssystem auch hat. Aber es ist jetzt angesagter, den Terminkalender mit Facebook durchzugehen. Findet zumindest Facebook-Gründer Mark Zuckerberg, für den es natürlich außerhalb der Facebook-Welt kaum noch etwas anderes gibt. Und die Nutzer sollen das wohl genauso sehen. Deswegen gibt es immer wieder kleine Funktionserweiterungen und Extras. Die Technikpresse macht mit und forciert den Herdentrieb: Ich muss jetzt unbedingt eine Facebook-Fanpage einrichten, sonst verpasse ich den Anschluss. Wofür ich das brauche? Weil alle eine haben!

Bescheiden und echtzeitlos: Die VZs

Und dann gibt es eben noch Mein-Schüler-Studi-VZ, wo sich in den letzten Jahren im Vergleich zu Facebook auffällig wenig getan hat. Keine kreischenden Benachrichtigungen von Freunden, dafür eine dezente Twitter-Kopie namens Buschfunk. Anwendungen aus dritter Hand, Apps, gibt es immerhin auch seit gut einem Monat. Und selbst die kommen im Vergleich zu Facebook-Apps fast übersehbar unaufmerksam daher. Dort die lauten Amerikaner mit ihrem Facebook, hier die zurückhaltenden Deutschen mit ihren VZs.

Es hat fast schon etwas Rührendes, dass der Plauderkasten bei den VZs so anmutig daher kommt, dass man aufblendende Nachrichten kaum wahr nimmt. Im Vergleich dazu überstrahlt eine neu eintreffende Nachricht im Facebook-Chat selbst die benachbarten Browser-Tabs. Man wird bei den VZs in Ruhe gelassen: Keine Echtzeit; keine Aufforderung, die Seite neu zu laden, weil Freund André T. dich womöglich in seinen Mafia-Clan aufnehmen will.

Sie hinken hinterher und dafür liebe ich sie

Es mag eher am Geld als am Willen gelegen haben, dass die VZs Facebook so sehr hinterher hinken, dass man ihnen dafür schon fast dankbar sein müsste. Es wirkt zumindest, als hätten sie ihren Nutzern zugehört: kein Schnickschnack, dazu in der Tat vorbildliche Einstellungensmöglichkeiten die Privatsspähre betreffend. Jene, die Facebooks Mark Zuckerberg für überholt hält.

Heute feiert Open Social der VZs eine kleine Erfolgsgeschichte: 2,9 Millionen App-Anwendungen wurden von den insgesamt 15,9 Millionen Nutzern installiert. Durchaus kein Misserfolg, und doch wird man auf seiner Startseite mit Meldungen darüber verschont, wie viele Punkte Freund E beim Spiel F gesammelt hat.

Die VZs sind allen wirtschaftlichen Zwängen der Profitmaximierung zum Trotz das geblieben, was sie sein sollen: Ein Social Network zum Austausch mit Freunden. Kein Betriebssystem, kein Marktplatz, keine Videoaustauschplattform – keine Hektik. Hier kann man noch Mensch sein. Und das muss beim manchmal durchaus berechtigten Volkssport StudiVZ-Bashing vielleicht auch einmal gesagt werden.

6 Gedanken zu „Eine Lanze für Mein-Schüler-Studi-VZ: Herrlich unaufgeregte Oase der Ruhe“

  1. Kann die Lanze nicht brechen:
    1. Kann man bei Facebook mit 2 Klicks (und zwar wirklich 2 Klicks) bestimmte Anwendungen gänzlich ignorieren.
    2. Ist die technische Überlegenheit von Facebook (sei es das man Termine erstellen kann oder verlinken kann) das A&O eines (sozialen) Netzwerks.

    meinVZ ist wie der Name schon sagt ein Verzeichnis, kein Netzwerk im herkömmlichen Sinne für mich.

    Wer es nicht schafft sein Facebook einmalig so einzurichten, das er damit zufrieden leben und arbeiten kann hat dort auch nichts verloren. Dies soll nicht abwertend gemeint sein, lediglich das man sich dann einfach mit der schlankeren und des Autors Meinung nach ruhigeren Webseite meinVZ begnügen soll.

  2. Zum Austausch mit Menschen gehört für mich z.B. auch das Verschicken von Links. Und an dieser simplen, jedoch wichtigen Aufgabe scheitert StudiVZ schon grandios…auch ein Grund weshalb immer mehr meiner VZ-Kontakte abwandern.

  3. @Sebastian
    ganz genau. Das Linktauschen ist so denke ich das wichtigste im Networking und wir wissen alle wie gut das im VZ funktioniert ;)

  4. Ich schließe mich Jürgen an. Bin Facebook inzwischen ebenfalls leid…nur nonsense in meinen Neuigkeit..

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